Dienstag, 6. November 2018

Warum ich dazu stehe, eine "Hunde-Mama" zu sein

Fangen wir einfach mal ganz vorn an - beim Wolfsrudel in der Natur.

Kuschelzeit / (c) Kühnen
Mama und Papa Wolf sind die Anführer und bilden in der Regel zusammen mit ihren Kindern das Rudel.
Ab und zu wandert jemand ab oder kommt dazu.

Es gibt klare Regeln für das Zusammenleben, die meist sehr liebevoll, aber konsequent und sehr deutlich über viel Mimik und Körpersprache durchgezogen werden.

Ernste körperliche Auseinandersetzungen sind eher die Ausnahme. Die Wolfskinder folgen den Eltern, weil diese wissen, wie das Leben funktioniert und sie souverän durch die Welt führen.

Schnitt, Wechsel - Mensch-Hund-Beziehung.
Im Idealfall folgt mir mein Hund, weil ich ihn souverän durch die merkwürdige menschliche Welt führe, ihm Schutz, Sicherheit, Nahrung und soziale Komponenten wie Spiel und Kuscheln biete und weiß, wie das Leben für ihn funktioniert, ohne dass er unnötig in Stress gerät oder Entscheidungen treffen muss, die er eigentlich nicht treffen kann, weil er die möglichen Folgen nicht sieht.

Also bin ich Hunde-Mama.
Ich gebe die Regeln vor, ich führe meine Hunde, ich beschütze sie vor anderen Hunden oder aufdringlichen Menschen. Ich jage mit ihnen, natürlich spielerisch, suche Spuren ab, finde Essbares und teile es mit ihnen, zeige ihnen interessante Dinge und setze hier und dort wenn nötig auch mal eine klare Grenze.

Immer dabei / (c) Cockxs
Ich sorge für ihre Nahrung und ihr Wohlergehen, ich spüre, wenn es ihnen nicht gut geht und achte auf ihre Gesundheit.
Wenn sie krank sind, leide ich mit ihnen, tröste und päpple sie wieder auf, halte Pfötchen oder den Kopf und erzähle ihnen, wie lieb ich sie habe und dass alles gut werden wird.

In für sie merkwürdigen Situationen bin ich ihr kleines Leuchtfeuer, das ihnen den Weg weist, das zeigt, wie und wo die Wege oder Auswege sind und dass mit mir gemeinsam alles gut geht.
Ich entscheide, wann ich Situationen regle und wann sie Dinge selbst regeln dürfen.

Ich erwarte, dass sie mich fragen, bevor sie eigene Entscheidungen draußen treffen und ich erwarte ebenso, dass sie meine Entscheidungen akzeptieren und entsprechend handeln.
Oder wenn sie eigenmächtig handeln, dass ich dann trotzdem ein Wörtchen mitzureden habe und sie mich auch wahr- und ernst nehmen.
Wir lernen gemeinsam, wie das am besten geht, und das ist in der Regel konsequentes Handeln auf einer hundeverständlichen und fairen Basis, inklusive dem Nutzen von Hilfsmitteln wie Geschirr, Schleppleine, Pfeife, Futter und Spielzeug.

Und abends liegen wir beieinander, manchmal auf Abstand, manchmal eng zusammen gekuschelt und genießen die Nähe und Wärme des jeweils anderen.
Weil wir zusammen gehören.

So müde ... / (c) Landgrafe
Weil sie nicht "die Hunde" sind und ich "das Frauchen" bin.
Wir sind Freunde, ein gemischt-rassiges Rudel, wenn man so will, eine Patchwork-Familie.
Wir leben gemeinsam auf einer freundschaftlichen Basis mit klaren, fair umgesetzten Regeln.

Weil mir meine BEziehung zu meinen Hunden so wichtig ist, und nur auf einer guten BEziehungsgrundlage kann erfolgreiche ERziehung stattfinden.

So viel wie nötig, so wenig wie möglich ist meine Devise.

Sie müssen keine Vorführobjekte sein, nur weil ich zufällig Hundetrainer bin.

Sie sind alltagstauglich, rüpeln nicht herum, sind freundlich zu Menschen, hören meistens auf "Stopp!" und "Hier!" - manchmal auch nicht, aber sie lassen sich zurückrufen, bzw. sind innerhalb weniger Augenblicke wieder bei mir, wenn es sie doch mal "gepackt" hat, das Jagdfieber.

Ich kann sie überall mit hin nehmen, sie verhalten sich ruhig - was will ich mehr?

Meine Hunde müssen nicht perfekt sein.
Aber auf ein paar Dinge bestehe ich im Zusammenleben, weil sie überlebenswichtig in unserer Welt voller Menschen und Straßen und Autos sind.
Im Zweifel setze ich auf Netz und doppelten Boden, sprich guter Sicherung des Hundes bei guter Übersicht über die Umgebung und Situation.

Und wenn doch mal was schief geht, suche ich mir eine ruhige Ecke und dann atmen wir anschließend gemeinsam durch. Ich gebe den Hunden keine Schuld. Auch wenn ich sie dann schonmal leise mit "Du Arsch!" oder "Du blöde Kuh!"anmoppere. Motzen ist ein besseres Ventil als eine Abreaktion am Hund für ein "Fehlverhalten", finde ich.

Denn wenn sie sich "fehlerhaft" verhalten, war das meine Schuld - weil ich sie nicht genug beschützt, gesichert oder angeleitet habe, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen.

Schließlich ist niemand perfekt - weder ich, noch meine Hunde...
Wir sind ein Team, eine Familie, Freunde / (c) Landgrafe


Böse Gefahrenquellen oder Der Tod lauert im Wald...

Wieso müssen wir eigentlich immer körperaktiv Gefahrenquellen aufdecken, meine Hunde und ich?

Es wird geschmollt ... / Foto (c) Landgrafe

 Ich weiß das von mir selbst ja schon länger - ich bin ein lebender Gefahrenquellen-Detektor!

Wenn es irgendwo eine Gefahrenquelle gibt, an der man sich stoßen, schneiden, ratschen oder sonstwie verletzen kann - ICH finde die garantiert. Oder besser, ein Teil meines Körpers. Was schon doof ist, denn in der Regel tut es dann weh und endet mit Arnica Globuli, Kühlakku, Pflaster oder Verband - Gips hab ich bisher zum Glück ausgelassen.

Aber wieso müssen meine Hunde es mir nachtun - und dann auch noch so heftig...

Ein kleiner Schnitt am Pfotenballen, Schürfwunden und eine Nagelbettentzündung vom deftigen Bremsen nach dem Highspeed-Rennen, Brombeerdornen in der Haut, weil man unbedingt hinter dem Reh her musste, Verstauchungen, Prellungen, kleinere Ratscher und Risswunden beim gnadenlosen "durch-den-Wald-preschen-müssen", weil man dachte, man hätte was gesehen...

Alles nicht so schlimm bisher, kleine Blessuren, die bisher allesamt gut abgeheilt sind.

Ich bin ja umsichtig.
Ich werfe keine Stöckchen oder sonstigen gefährlichen Sachen, gebe kein Spielzeug, das sie zerlegen und fressen können, werfe das Dummy nur dorthin, wo ich sehen kann, dass nichts Gefährliches herum liegt, passe auf sie auf wenn sie Kauartikel bekommen, dass sie nicht dran ersticken, sichere meine Hunde, wenn ich glaube, dass sie jagdlich etwas zu motiviert sind an diesem Tag, blocke kläffende "Tut-nixe" von ihnen ab und lasse sie an der Straße immer innen, also vom Verkehr weg, gehen.

Aber ich sag's euch ehrlich -  wenn's passieren soll, passiert es, egal was du tust.

 Ich mache den Morgenspaziergang, beide Hunde laufen frei und tollen durch den Wald. Alles ganz normal. Denke ich.
Ich fahre heim, hänge die Wäsche auf und mache mir dann Frühstück.
 Den Hunden gehts gut, alles wie immer. Denke ich ...
Ich setze mich hin und will den ersten Bissen nehmen, da fällt mir auf, dass meine Setterhündin sich unablässig putzt. Hm - Zecke? Schramme? Kletten?
"Lass mich mal sehen", sage ich zu ihr und bereitwillig legt sie sich auf den Rücken.  

Und ich erstarre.
Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals, mir bleibt der Atem stecken für ein paar Sekunden.

Sie hat nichts gesagt. 
Sie hat nicht gehumpelt. 
Sie hat sich bis jetzt nicht das Geringste anmerken lassen.
Und doch klafft da eine gigantische Risswunde vor mir weit auf, von der vorletzten hinteren Zitze bis mitten in den inneren Oberschenkel !


"Notfall-Raff-Naht" / (c) Landgrafe

 Ich schalte um, bin ja Ersthelfer, reagiere nur noch.

Ein Blick über die gesamte Wunde - keine akuten Blutungen zu sehen.
Sofort die weiche Halskrause drauf, damit sie die Wunde in Ruhe lässt.
Der Griff zum Telefon, die Notfallnummer der Klinik ist programmiert, dann klare kurze Ansagen an die Tierarzthelferin:

"Gioya hatte im Wald einen schlimmen Unfall. Große Risswunde vom Bauch bis in den Schenkel, der Bauch scheint aber nicht durchdrungen zu sein. Keine akuten Blutungen. Macht einen OP klar, ich bin in spätestens 15 Minuten bei euch!"

Ich setze die arme tapfere Maus ins Auto und rase los. Ich weiß, ich muss langsam und besonnen fahren. Sie blutet ja nicht akut. Trotzdem...

Erst als der Tierarzt sie untersucht und "Scheiße, das sieht übel aus" murmelt, löst sich meine Anspannung und ich fange an zu heulen. Sofort versichert er mir, dass es nicht lebensbedrohend und reparabel ist. Aber jetzt hab ich die Verantwortung abgegeben und darf schwach sein - und weinen, es rauslassen, den Schock und meine Angst um Gioya.

Eine Stunde achtunddreißig Minuten lang wird sie notopperiert, meine arme kleine Settermaus.
Ich bin sofort nach dem OP bei ihr und halte ihre Pfote beim Aufwachen, sage ihr, dass ich da bin und auf sie aufpasse. Sie braucht lange, um aus der Narkose und auf die Beine zu kommen, fast dreieinhalb Stunden.

Noch benommen nach der Not-OP / (c) Landgrafe

Sie ist so tapfer, will einfach nur bei mir sein. Und ich halte sie warm, sage ihr, wie lieb ich sie hab. Und schicke ein Stoßgebet gen Himmel, ein "Danke", dass sie sich nicht die Beinarterie aufgerissen hat. Denn dann wäre sie binnen weniger Augenblicke auf dem Waldweg verblutet und ich hätte nichts, rein gar nichts für sie tun können.

Es dauert mehrere Wochen, bevor die schreckliche Wunde vollständig abgeheilt ist und nur noch ihr kurzes Fell an den Unfall erinnert. Doch das Trauma bleibt - bei mir.

Ich frage mich bei jedem Spaziergang - an welchem verfluchten Ast hat sie sich verletzt? War es ein liegender Baumstamm, von dem noch kurze spitze Äste aufragen? Ein hochstehender Stock? Was?? Und wieso hat sie nichts gesagt? Das muss doch schrecklich weh getan haben!

War es so ein toter Baum...? / (c) Landgrafe

Ich versuche, mir nicht die Schuld zu geben. Vergebens. 
Ich kann die Hunde nicht in Watte packen. Wenn es passieren soll, passiert es.
Doch es kostet mich enorme Überwindung, sie nach Wochen an der Leine wieder frei laufen zu lassen und ihr Spielzeug zu werfen.
Ich hab immer noch Bedenken, untersuche sie nach jedem Spaziergang gründlich auf Verletzungen. Jeden Tag.
Immer noch.
Bis heute.


Und bin so endlos dankbar, dass sie noch da ist.
Dass ich sie behalten durfte.
Dass sie überlebt hat.


Kann ich sie vor einem weiteren Zwischenfall beschützen?
Nur, wenn ich ihr lebenslangen Leinenzwang auferlege. Und sie damit totunglücklich mache.

Dennoch nehme ich sie in gewissen Gebieten jetzt eher an die Leine oder bremse sie, wenn sie zu übermütig wird.

Die Chancen, dass so etwas noch mal passiert, sind verschwindend gering.

Aber wenn es passieren soll ...



Abgeschwollen / (c) Landgrafe

Mittwoch, 17. Oktober 2018

Kämmen, baden, föhnen, bitte - Besuch bei "Schöne Schnauze"

Herr Bär und Frau Setter - nur ein dreckiger Hund ist ein glücklicher Hund... / (c) Landgrafe
Es wurde mal Zeit.
Ich hatte es lange vor mir her geschoben, dann kamen Dayans Leishmaniose-Rückfall und Gioyas schwerer Unfall dazwischen. Beides hatte meine Reserven gefressen.

Dayan war teilweise verfilzt, ich bekam seine dichte Unterwolle einfach nicht in den Griff und bei Gioya sammelte sich bei jedem Spaziergang "Anstoch-Holz" im Fell, und zwar reichlich, das ich mühsam Stückchen für Stückchen herauspuhlen musste.

Hölzchen über Hölzchen im Fell... und das ist noch harmlos! / (c) Landgrafe

Dann  meldete sich Daniela von "Schöne Schnauze" bei mir, zwecks einer Kooperationsgemeinschaft. Als zertifizierte Hundefrisörin kam sie mir wie gerufen.
Wir einigten uns, dass sie meine Hunde beide mal einer "Überarbeitung" unterziehen würde.

Ich war gespannt, denn beim ersten Mal, vor gut zwei Jahren, hatte Dayan versucht, die Hundefrisörin zu fressen, weil sie zu sehr in seinem Fell herum geziept hatte - und Dayan ist da höchst empfindlich!

Das Fell ist ab / (c) Landgrafe
Zuerst kam Gioya dran.
Davon hab ich keine Bilder, weil sie zu ängstlich war - das war ja alles neu für sie und Daniela machte wirklich nur das Nötigste an ihr - sprich, die langen feinen Zotteln rundherum ab!

Ich tröstete und knuddelte sie die ganze Zeit über, was nicht lange war, und dann war das Fell ab und Gioya irgendwie nackig *lach*.

Nackige Gioya :) / (c) Landgrafe
So kam es uns wohl beiden vor, denn sie betrachtete sich, schüttelte sich und lief etwas
aufgeregt im Raum herum. Das legte sich aber schnell.

Und dann kam Dayan dran, der die ganze Zeit über gemütlich auf dem Boden gelegen hatte, um zuzuschauen, was wir denn da seltsames mit seiner nervigen "kleinen Schwester" machten.

Zuerst musste er ausgekämmt werden, denn der Herr Bär hatte ja einiges an Wolle an sich.

Dazu wurde er erstmal auf den Tisch gestellt und gesichert, damit er nicht plötzlich vom Tisch hüpft, wenn ihm etwas nicht passt.
Was macht ihr denn da? / (c) Landgrafe
Also, ich weiß ja nicht... / (c) Landgrafe

 Dayan fand das erstmal frech und doof, so in seiner Beweglichkeit eingeschränkt zu werden.
Doch das war nunmal notwendig bei 40 Kilo Dickschädelgewicht.

Natürlich war ich bei ihm, um ihn zu halten und zu trösten und ihm zu erzählen, was für eine wunderschöne Frisur er bekommen würde.

Das war ihm ziemlich egal!

Ein bisschen Fell hier.... / (c) Landgrafe

 Er stöhnte und schnaufte und begann nach einiger Zeit zu jammern, mit steigender Lautstärke.

Da uns das nicht beeindruckte, wurde er noch lauter und herzzerreißender, gemischt mit ersten Knurrlauten, um zu unterstreichen, dass er "not amused" darüber war, gekämmt und gebürstet zu werden.

Doch so ein Langhaar Husky hat nunmal eine Menge Oberfläche, die gepflegt werden will.


...und noch mehr Wolle am Boden (c) Landgrafe
Daniela probierte diverse Kämme und Bürsten und achtete darauf, dass sie Dayan nicht im Fell riß oder zupfte.

Es kam schon so einiges an Fell heraus, vor allem ganz viel cremefarbene butterweiche Unterwolle. Da hätte man glatt was draus spinnen können.

Dann ging es ab in die Badewanne - auch das war mal nötig.
Zuhause kriege ich ihn nicht in die Wanne und hier war einfach alles bedarfsgerecht eingerichtet, mit Rampe und Tür, sodass auch mein etwas lädierter Hund (Bandscheibenvorfall, Spondylosen, Arthrosen) prima in die Wanne steigen konnte, ohne sich anzustrengen.
Iiiiih, Wasser und Seife! / (c) Landgrafe

Baden gehört, ebenso wie das Kämmen, nicht gerade zu Dayans Lieblingsbeschäftigungen.

Auch hier wurde gejammert und letztendlich sogar versucht, über den Badewannenrand zu klettern - was ich natürlich verhinderte.

Und ja, glaubt mir - es WAR nötig ihn zu baden! Kam da eine dunkle Brühe runter... (schäm).

Angepisst, aber sauber und plüschig :) / (c) Landgrafe
Daniela ging die ganze Zeit über liebevoll, ruhig und souverän mit Dayan um, ließ sich nicht einschüchtern von seinem Grollen (das tatsächlich nur halbherzig war) und arbeitete möglichst zügig, damit der arme Kerl nicht so lange "leiden" musste *grins*.

Nach dem ersten Föhnen, damit die größte Nässe raus war, beließen wir es dabei.

Dayans Fell nässte noch nach, doch er war k.o. vom Ganzen und wir wollten ihn nicht unnötig länger zanken.

Daniela schnitt noch seine Konturen nach und die dichte Wolle an den Hinterbeinen - die braucht schließlich kein Hund! Jedenfalls nicht in unseren Breitengraden.

Und dann waren die Hundis schick und fertig.


Dayan, voll k.o. / (c) Landgrafe
Müde Gioya... (c) Landgrafe
Nach einer Stunde im Wald - keine Hölzchen im Fell - YEEEAAAHHH!! / (c) Landgrafe
"Papa Bär" und "Hunde-Bär" / (c) Landgrafe
Fazit: hingehen!
Daniela ist mit Herzblut dabei, geht toll mit den Hunden um, leistet super Arbeit, ihre Preise sind moderat und - sie hat noch Termine frei  ;)

Ich empfehle sie gerne weiter!!

www.schoene-schnauze.de


Donnerstag, 28. Juni 2018

BVB - Wir alle tun es!!

BVB, damit meine ich nicht den Fußballverein, sondern etwas ganz anderes.
Obwohl "BVB" auch und immer wieder mit Fußball zu tun hat. Und allen anderen Dingen, Menschen und Situationen, denen wir so im Leben begegnen.

Böööser Hund!? Nein, nur Show fürs Foto! / (c) Fischer
 Es geht ums "Beurteilen - Verurteilen - Bewerten".
Und ich sag's euch ganz ehrlich - ja, auch ich bin oft in der BVB-Schleife gefangen. 
Dabei sind das bloß Bilder in MEINEM Kopf, und nicht zwingend die Wahrheit.

 Zunächst erkläre ich mal die Bedeutung der Begriffe, damit wir alle auf demselben Wissenstand sind:

Beurteilen - Daumen rauf oder runter, gefällt uns oder gefällt uns nicht.

Verurteilen - Dinge, Menschen oder ihr Tun kritisieren, weil wir es bestimmt ganz anders oder gar nicht tun oder benutzen würden!

Bewerten - welchen Wert oder Nicht-Wert hat das Ganze für uns? 


Fangen wir mal bei mir an. 
Erst kürzlich dachte ich etwas Unnettes über eine Frau, die auf den Waldparkplatz fuhr, vielleicht hundert Meter mit ihrem Hund Gassi ging und dann wieder wegfuhr.
Ich dachte nämlich: "Wow, der arme Hund, das war ja ein kurzes Vergnügen! Wenn das immer so ist..."

Meeep - böse! Von mir, natürlich.

Denn ich bin gestern höchstens 800 Meter mit meinen beiden Hunden eine Straße zwischen großen Wiesen hoch und wieder runter gelaufen, hab meine Hunde ins Auto gepackt und bin heim gefahren.
Da schaute mir auch eine Hundebesitzerin hinterher. Vielleicht dachte sie dasselbe, wie ich einige Tage zuvor über die andere Dame.

Was war passiert?
Mein Husky Dayan hat schlimme Arthrosen im linken Vorderbein und aktuell auch ziemliche Schmerzen. Also sind wir nur ganz gemütlich eine winzige Entsorgungsrunde gelaufen, denn er macht sein großes Geschäft nicht im Garten. 
Und damit Frau Setter ausgelastet ist, hab ich zuhause noch im Garten mit ihr gespielt, bis sie müde war. Dayan lag im Schatten und sah uns dabei zu. Dann sind beide Hunde zufrieden in den Schlaf gesunken. Alles gut.

Dennoch fühlte ich mich unangenehm ertappt, und zwar von mir selbst. 
Vielleicht hat diese Frau am Waldparkplatz noch eine längere Autofahrt vor sich und der Hund sollte nochmal schnell Pipi machen gehen? 
Oder sie hatte sich zeitlich verkalkuliert (DAS kenn ich leider auch zu gut...) und der Hund darf dafür später eine Riesenrunde laufen?
Ich weiß es nicht. Aber ich habe sie BVBt.

Und wie oft BVBen wir so im Alltag?
Bei Mitmenschen an der Schlange vor der Kasse. Bei anderen Hundebesitzern. Und sehr aktuell natürlich bei der Deutschen Nationalmannschaft. Man kann halt nicht immer gewinnen, Leute!

Wir haben unsere Meinung und gerade im Internet und den Sozialen Netzwerken tun wir diese oft schamlos, rücksichtlos und unverschämt kund! 
Weil es anonym ist. Weil wir denjenigen, die wir BVBen, nicht in die Augen schauen und ihre Reaktion auf unsere Meinung ertragen müssen.
Von Angesicht zu Angesicht würden wir nämlich vieles davon gar nicht laut sagen, sondern höchstens stillschweigend denken!

 Und mal ganz ehrlich - wie oft BVBst du deinen eigenen Hund?
Der ist stur, der ist zu doof, das müsste der doch langsam mal können, der stellt sich nur an, es gibt keinen Grund...
Es gibt IMMER einen Grund, auch wenn wir ihn nicht sehen oder spüren können.

Mein Wunsch an dich ist - reflektiere dich mal selbst und achte darauf, wie oft du täglich BVBst, dich selbst, deinen Hund und deine Umwelt.
Das wird dir helfen zu erkennen, wer du bist, was in dir ist und dass es so viele Antworten auf Fragen gibt, die du einfach nicht kennen kannst...

Niemand von uns kann völlig mit dem BVBen aufhören. Ich glaub, so heilig ist niemand von uns Otto-Normal-Menschen.
Aber wenn wir anfangen uns mehr bewusst zu machen, was wir da täglich für Gedanken durch unser Gehirn schubsen, kann die Welt ein Stückchen sensitiver, empathischer und freundlicher werden.

In diesem Sinne - Achtsam bleiben 😊


 
 

Mittwoch, 13. Juni 2018

Kopf und Bauch oder Liebe ist.

Gioya & Dayan Frühjahr 2018 / (c) Schnaubert

"Bauch sagt zu Kopf - ja! Doch Kopf sagt zu Bauch - nein! 
Und zwischen den beiden steh ich..."
Mark Forster, Bauch und Kopf

Es ist Januar 2016 und in unserem Leben klafft ein schwarzes, großes, tiefes Loch. Unser verrückter, großer, toller Kumpel "Ty" ist tot, seit fast drei Monaten ist es still im Haus, kein Pfotentrappeln zu hören, keine feuchte Nase stubst gegen die Hand, keine großen braunen Augen betteln um Kekse (siehe Beitrag Abschied für länger).

Wir sind krank vor Kummer. Wir dachten, wir können warten, bis etwas mehr Zeit verstrichen ist. Doch jeder neue Tag ist unerträglicher als der letzte. Er fehlt. Eine Hundeseele fehlt in diesem Haus.
Wir besprechen uns.

Ein junger Hund soll es sein, ein Nordischer aus dem Tierschutz. Möglichst gesund, denn "Ty" war eine Großbaustelle mit fast allem, was an Hundekrankheiten vorhanden ist.
Ein Hund, mit dem mein Mann lange wandern und Fahrrad fahren kann. Ein gesunder, aktiver, junger und starker Nordmann.

Doch es kommt anders, denn wenn Seelen füreinander bestimmt sind, finden sie sich auch über große Distanzen und Entfernung spielt keine Rolle...

Dayan im spanischen Shelter /(c) PA

"Du guckst mich an, und ich geh mit
Und der ist ewig, dieser Augenblick

Da scheint die Sonne, da lacht das Leben
Da geht mein Herz auf, ich will’s dir geben
 
Ich will dich tragen, ich will dich lieben
Denn die Liebe, ist geblieben
 
Hat nicht gefragt, ist einfach da
Weglaufen geht nicht, das ist mir klar..."
Nena, Liebe ist


Liebe auf den ersten Blick nennt man das wohl.
Dayan, 7 Jahre alt, Leishmaniose positiv, knochig, zu ruhig für einen Husky, niemand will ihn.

Ich sehe ihn und denke, was für schöne Augen, welch ein toller Hund. Aber leider passt der nicht ins Beuteschema - zu alt und krank, nicht das, was wir derzeit suchen. Armer Junge.
Einen Tag später sitzt mein Mann vor seiner Seite, völlig unabhängig von mir und sagt: "Guck mal, diese Augen ...!!"

Liebe will nicht. Liebe sucht nicht. Liebe ist. 
Nena, Liebe ist

So ist es wohl - Liebe ist. Punkt.
Wir setzen uns mit der Tierschutzorga in Verbindung, erhalten sofort Infos, Fotos und ein Video und überlegen ganze 10 Sekunden, als wir erfahren, dass er noch in Spanien sitzt. Wir wollten niemals einen Hund imortieren...
Mit einem Mal spielt nichts mehr eine Rolle - wie alt er ist, ob er krank ist, wo er her kommt, was er kann - Liebe ist.

Kaum 10 Tage später ist er da, und es zeigt sich, er ist total "meinem Mann sein Hund" und der ist sein Freund. Ein Hund mit einer großartigen Seele, so ein feiner freundlicher Schatz, der immer dabei sein und gefallen möchte, ohne seinen eigenen Willen aufzugeben.
Ein kuscheliger, sturköpfiger, feinfühliger Kobold im Pelzkostüm und fast nichts von dem, was wir wollten, aber genau das, was mein Mann gerade braucht.
Liebe ist.
Angekommen und im Herzen verbunden... / (c) Landgrafe

Doch mir fehlt etwas. Mir ist Dayan tatsächlich zu ruhig, zu anspruchslos, zu still - zu wenig von dem, was ich gern gehabt hätte.
Aber - zwei Hunde? Geht das?
Mein Mann ist wieder glücklich. Genügt Dayan wirklich nicht?
Was mache ich nur? Denn in meinem Herzen klafft noch immer ein Loch und eine unbeschreibliche Sehnsucht, groß wie der Ozean...

Weil ich immer was such und immer was fehlt
Obwohl es eigentlich gut ist und eigentlich geht
 
Hab ich dich im Blick und wie du's machst
Doch so wie du, so bin ich nicht
 Mark Forster, Bauch und Kopf

Wir sprechen wieder. Zwei Hunde... hm. Nee. Doch. Nein. Ja. Bauch und Kopf streiten sich und mein Mann und ich diskutieren oft und viel.
"Dann schau halt mal", meint er, eigentlich eher halbherzig. Doch das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen!
Ich suche nach einem Spaniel, braun oder braun mit weiß... und wieder kommt es anders...

Gioya auf Pflegestelle in Spanien / (c) SRG e.V.
  
Ich hab Flausen im Kopf und Hummeln im Arsch
Ich hab immer was vor, bin immer verplant

 
Doch wird's mal still um mich dann komm'n die Geister hoch
Und ich hinterfrag mich jedesmal
Mark Forster, Bauch und Kopf

Diese großen dunklen traurigen Augen, dieser Blick und das freundliche "Lächeln"... ein Puzzleteil rastet vernehmlich in meinem Herzen ein - klick!
Ich bin schlagartig schockverliebt.

Ein Settermädchen? Ich wollte eigentlich einen Spanielrüden. Noch in Spanien, mal wieder... Ich wollte auch einen jungen Hund, Gioya ist schon 6 Jahre alt.

Du bist mutig, du bist schlau
Und ich werd’ immer für dich da sein
Das weiß ich ganz genau 

Du und ich wir sind wie Kinder
Die sich lieben wie sie sind
Nena, Liebe ist 

 Liebe ist. Kaum eine Woche später ist sie bei uns und sie ist mein Hund, mein 100% Match, mein fehlendes Stück im Herzen. Stark unterernährt, ängstlich, schwach, hypernervös und unruhig - aber mein Mädchen durch und durch.

Ihr erstes Spielzeug, lebt auch immer noch :) / (c) Landgrafe
Natürlich wird es turbulent, natürlich schlafen wir anfangs wenig, natürlich ist es mit zwei Hunden stressiger und aufwändiger, besonders mit so einem Turboquirl auf Pelzsocken, diesem verrückten Eichhörnchen auf Speed, mein Kolibri auf Ecxtasy!
Und doch will ich keine Sekunde davon missen.

 Juni 2018
Dayan wohnt nun 2,5 Jahre bei uns, Gioya 1 Jahr.
Für mich persönlich war die Entscheidung goldrichtig.
Jeder von uns hat seinen Herzenshund bekommen, sein absolut passendes Pendant.
Spiezeug und Futter - jedem das seine :) / (c) Schnaubert

Der Bauch hat gewonnen, und wir lieben sie tief und innig.
Und gerade erinnert mich Dayan mit seiner Pranke und lauten Gejammer, dass er gleich verhungern wird, wenn ich ihn nicht unverzüglich füttere *lach*.
Da spricht nun sein Bauch, und den gehe ich jetzt mal füllen.

Hört auf euren Bauch.  
Der Kopf darf mitspielen. Ein bisschen.
Nehmt keinen Hund aus Mitleid zu euch, sondern aus dem richtigen Gefühl heraus.
Und liebt ihn oder sie aufrichtig, auch wenn sie nicht das sind, was ihr eigentlich haben wolltet.
Mehr hab ich heute nicht zu sagen...

Freitag, 8. Juni 2018

"Das macht der immer!" oder Hundetrainer sind kugelsicher!

"Hey - hau ab! Sonst mach ich dir Beine!" / (c) Landgrafe

Erstgesprächstermin bei neuen Kunden. 

Ich weiß, der Hund hat ein Thema mit Menschen, wie sehr genau will ich heute klären.
Aus Sicherheitsgründen habe ich die Halter gebeten, den Hund anzuleinen und erst abzumachen, wenn ich es ihnen sage. Man weiß ja nie so genau, was einen erwartet, wenn man zum ersten Mal einen Hausbesuch macht.

Ich klingele, trete einen Schritt zurück, die Haustür öffnet sich - und am Halter vorbei drängelt sich ein nicht angeleinter Ridgeback-Mix, um mich kurz, aber sehr wüst auf hündisch zu beschimpfen und zu bedrohen, ehe er mal kurz nach meinem Oberschenkel schnappt und reinzwickt.
So! Statement gesetzt!

"Sehen Sie? Das macht er immer bei Fremden. Das wollte ich Ihnen nur mal zeigen."
Aha.
Ja, schön.
Hab ich nun gesehen und auch deutlich gefühlt.
Das wird ein schöner blauer Fleck werden. Danke dafür. 😠

Autsch! Welpenzahn-Piercing im Nagel. / (c) Landgrafe
 Ich bitte darum, den immer noch drohenden Hund in Ruhe am Halsband zu nehmen und eine Leine dranzubasteln, während ich äußerlich völlig ruhig da stehe und mich nicht weiter bewege, um den Hund nicht zu einer zweiten Verwarnung gegen mich zu reizen, die er mir zweifellos androht.

"Ja, kommen Sie doch erst mal rein."
Nein, bitte erst den Hund sichern.
"Der macht jetzt nix mehr. Der schnappt immer nur einmal zu."

Der Ridgeback-Mix knurrt dumpf und fixiert mich.
Meine Geduld erreicht so langsam ihren Endlichkeitspunkt und meine Stimme nimmt nun jenen Klang an, der deutlich sagt, dass ich ab sofort keinen Spaß mehr verstehe und nicht mehr die nette Tante Trainer bin, die alle Hunde liebstreichelt.

Ich erkläre, dass der Hund mich eindeutig nicht näher am Haus haben will und dass ich darauf bestehe, den Hund anzuleinen, weil ich weder scharf auf einen zweiten Angriff von ihm bin, noch auf eine entsprechend harte Korrekturmaßnahme durch mich gegen den Hund.

Ich werde etwas verblüfft angeschaut, dann wird endlich der Hund am Halsband in den Flur gezerrt und eine Leine dran befestigt. Als ich auch noch darum bitte, den Hund aus dem Flur mitzunehmen, da dieser recht eng ist und ich gern mehr Platz haben möchte, sehe ich ein verständnisloses Kopfschütteln, ehe man den Hund mitnimmt.

Ein Einzelfall?
Nee, leider nicht und ich sag's Euch jetzt mal ganz ehrlich und im Vertrauen, aber nicht weitersagen: Hundetrainer sind NICHT kugelsicher!
Begegnung mit einem Scharfzahn / (c) Landgrafe

Einige Halter scheinen das aber von uns zu denken.
Da werden klare Anweisungen einfach überhört oder missachtet, weil  ...
- ein Hundetrainer ja mit jedem Hund sofort umgehen kann
- ein Hundetrainer jede Situation in Sekundenbruchteilen sofort richtig einschätzt und entsprechend handelt
- jeder Hund sofort auf den Hundetrainer hört
- jeder Hundetrainer in diversen Nahkampftechniken ausgebildet ist oder zumindest sofort jede angespannte Situation deeskalieren kann
- man ja nur mal zeigen will, wo das Problem liegt...

Resultate aus solchen Situationen sind neben Abschürfungen, blauen Flecken, Hämatomen und Bisswunden auch innere Wunden, und zwar nervlicher und seelischer Art.
Darüber denken solche Hundehalter wohl kaum nach.
Auch Hundetrainer haben Nerven und Gefühle und erschrecken bei einem plötzlichen Angriff und fühlen Schmerzen, wenn sie getackert oder heftig angesprungen werden - selbst wenn sie irgendwie damit rechnen!

Wenn ich zuvor ganz klare Anweisungen gegeben habe, weil ich für Sicherheit sorgen will, und diese werden einfach missachtet, finde ich das nicht nur frech und unverschämt mir gegenüber, sondern auch gegenüber dem Hund, der (mal wieder) in eine Situation gebracht wird, in der ein Mensch (in diesem Fall ich) GEGEN ihn agieren MUSS (aus Notwehr heraus), um sich zu verteidigen.

Natürlich muss ich solche problematischen Situationen auch sehen, um sie einschätzen und einen vernünftigen Trainingsplan erstellen zu können - aber doch bitte unter abgesicherten Bedingungen für das gesamte Umfeld und nicht als Überfallkommando direkt beim Erstkontakt!

Wir wissen, was kommt - Ruhe bewahren - Eigensicherung ist vorhanden - 3,2,1 - go! / (c) Landgrafe

So habe ich schon das Training mit zwei Kunden abgelehnt, weil sie sich weigerten, ihrem armen Hund einen Maulkorb aufzutrainieren. Der Hund möchte das nicht, hieß es. Und außerdem macht er ja dann auch nix.
Das ist ja auch der Sinn des Ganzen und zudem möchte ich auch nicht gebissen werden!
Nein, da wird lieber an der Leine geruckt und "Aus! Nein!" gebrüllt.
*seuftz*

Also bitte, liebe Hundehalter - wenn Ihr mich oder einen meiner Kollegen anruft, dann haltet Euch an die Anweisungen, die Ihr bekommt. Wir kennen Euch und Euren Hund noch nicht und brauchen ein wenig Zeit, um Euch und die Situation vor Ort einzuschätzen.

Bitte seid am Telefon schon ehrlich zu uns - wenn Euer Hund schonmal nach einem Menschen geschnappt, ihn gezwickt oder ernsthaft gebissen hat, dann sagt uns das! So können wir für uns Schutzmaßnahmen treffen und alles läuft entspannter ab.

Und wenn wir Situationen erkennen, die potentiell knifflig bis gefährlich werden können - dann haltet Euch bitte erst recht an unsere Anweisungen, auch wenn Ihr in diesem Moment den Sinn vielleicht nicht sofort versteht.

Misstrauisches Begutachten nach dem ersten Schnapper ins Bein / (c) Landgrafe
Erste Trainingsschritte - Fremde werden "schön-gefüttert" / (c) Landgrafe
Weder haben wir Trainer eine ultradicke, kevlargeschützte Haut, noch sind wir kugelsicher, bißfest oder unumschubsbar. Wir sind nicht immer schneller als der Hund, können nicht hellsehen oder uns aus einem akuten Gefahrenbereich wegbeamen. Auch unsere Wunden bluten und brauchen Zeit zum Heilen. Unsere Nerven und Seelen ebenso.

Also begegnet uns bitte mit demselben Respekt, den wir auch Euch entgegen bringen.
Danke dafür.






Montag, 30. April 2018

...der werfe den ersten Stein. Oder doch Heiligenschein?

Bin dann mal jagen - tschöööö / Foto (c) Landgrafe
Es ist April, und seit dem Ersten diesen Monats gilt in NRW die Brut- & Setzzeit, also Leinenzwang für Hunde.

Und wie fast jedes Jahr taucht in irgendeiner oder mehreren Facebook-Gruppen die Frage auf:
"Sagt mal, leint ihr eure Hunde jetzt draußen immer an?"

Jaaaaa, natüüüüürlich, aaallleee!!!

Nee, ich nicht.
Wow, da krieg ich krasse Kommentare. Obwohl niemand weiß, wo ich mit meinen Hunden laufe, oder wie gut sie meine Signale befolgen, da wird erstmal kräftig losgewettert, wie schlimm, verantwortungslos und unverschämt ich denn sei!

Jo, kann ich gut mit leben. Denn ich sag's euch ganz ehrlich - mich kotzt diese Heuchelei rund um bestimmte Daten mittlerweile regelrecht an!

Zu Muttertag rennen die Kinder egal welchen Alters mit schlechtem Gewissen in die Läden, um teuer Pralinen oder Blumen zu kaufen, die sie zu anderen Zeiten im Jahr deutlich preiswerter haben könnten. Und die beschenkten Muttis lächeln gequält, weil sie viel lieber öfter im Jahr einen Anruf oder Besuch hätten, statt nur an diesem speziellen Tag mit doofen Geschenken überschüttet zu werden.

Zum Valentinstag gibts auch wieder Blumen und Kärtchen und Geschenke - dabei wäre es viel schöner, sich immer mal wieder ganz spontan etwas Gutes zu tun, gemeinsam Zeit zu verbringen, Essen oder ins Kino zu gehen.

Und zur Brut- und Setzzeit müssen wir alle artig das Leben in Wald und Feld achten und beschützen - die restliche Zeit im Jahr darf man laut quatschend durch den Wald trampeln, Hunde unangeleint überall herumrennen lassen, natürlich auch über hohe Wiesen oder auch mal durchs frisch geschwaderte Heu, macht ja nix.
Die Kühe essen zwar angekacktes und bepinkeltes Heu und Silo nicht mehr, aber was kümmert's uns denn. Das kostet uns ja nichts, nur dem Bauern, der das mühsam geerntete Wiesenerzeugnis dann wegschmeißen kann. Wächst ja neu... *Ironie off*.

Trotz Leine Beute gemacht - so ist das Leben... / Foto (c) Landgrafe
Versteht mich nicht falsch, Leute - wir sollten das Leben immer achten. Wir sollten in Wald und Feld unsere Hunde beobachten und kontrollieren, soweit möglich, dem Wild zuliebe.  

Und manchmal ist es nicht möglich, wie bei uns heute - mein Husky ist an der Schleppleine zwei Meter neben mir, macht einen kleinen Hüpfer zur Seite, stößt die Nase unter einen gefällten Baumstamm direkt am Wegesrand. Ich sehe etwas kleines, pelziges und denke noch - oh, eine dicke Ratte! Hoffentlich beißt die ihn nicht...
Doch Dayan zieht ein Kaninchenbaby hervor. Ein Quieken, ein Knacken, das war's - Huskyfrühstück to go. (Wurde dem entsprechenden Jagdpächter gemeldet.)

Mir ging es durch und durch, doch es war schon zu spät.
Mein nicht angeleinter Setter lag zehn Meter weiter und spielte mit seinem Ball, glücklich und zufrieden und nicht im Mindesten an dem Kaninchen interessiert. Soviel zum Thema, es passiert nix, wenn man seinen Hund anleint...
Allerdings habe ich an dieser Stelle auch meinen Setter angeleint, um nichts weiter zu riskieren.

Shit happens.
Klingt etwas zynisch? Nein, nur klar und sachlich.
War ich betroffen von der Sache? Na klar!
Es zeigte mir nochmal sehr klar, dass mein dicker gemütlicher Plüschteddy durchaus auch emotionslos töten kann, einfach weil es zu seiner Natur gehört. Da war kein Zorn oder sonst eine negative Emotion in ihm. Er hat als Raubtier eine gute Gelegenheit genutzt und das Kaninchen war schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort. Natürliche Auslese nennt man das wohl.
Daran ist nichts Schlechtes. Nur wir Menschen denken weiter darüber nach und fühlen uns schlecht dabei...

Was mich allerdings noch sehr viel betroffener machte, war die Situation auf dem Parkplatz, als ich meine Hunde ins Auto einlud und eine Frau mit ihrem nicht angeleinten Labrador dort ausstieg. Ich warnte sie vor, dass an dieser bestimmten Stelle oder überhaupt dort Kaninchenbabys herumlaufen könnten. Sie lächelte herablassend, winkte ab und meinte nur: "Na, hoffentlich sind die weg, wenn wir kommen." Sprachs und ließ ihren Hund lospreschen.

So eine "Ist mir doch egal-Haltung" macht mich traurig.
Tötet dieser Hund weitere Kaninchen, ist das Ergebnis im Endeffekt das selbe wie bei uns.
Nur die Haltung dazu macht den Unterschied - bei uns war es ungewollt, spontan und Pech, bei ihr wird es billigend trotz Warnung in Kauf genommen...

Macht mich diese Haltung besser als diese Frau? In meinen Augen und für mein Gefühl schon.
Hab ich sie belehrt? Nein, hab ich nicht.
Denn nur wer völlig ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein...