Montag, 29. Mai 2023

Ich kann nicht mehr... - wenn Mensch und Hund überfordert sind

Es ist Montagmorgen, und ich bin spät dran. 

Das bedeutet, mit großer Wahrscheinlichkeit wird unser Morgenspaziergang wieder Nerven kosten, länger dauern oder sehr viel kürzer enden als ursprünglich geplant.

Denn mit unserem Herdenschutzhund Nanouk ist kaum ein Spaziergang einfach, leicht oder entspannt. Er hat auch nach mehr als zwei Jahren noch immer Angst - vor allem und jedem, egal ob Mensch, Objekt, Geräusch oder Geruch.

Da ist einfach zu viel "Welt" in dieser Welt für ihn, er ist immer wieder überfordert und weiß dann nicht, was er tun soll - mutig sein und es sich anschauen oder doch lieber weit weg flüchten und sich verstecken, so gut es geht, bis die Gefahr vorbei ist?!?

Nanouk - möglichst weit hoch und verstecken / Foto (c) Landgrafe

Wenn ich zu spät zum Morgenspaziergang am Montagmorgen aufbreche, treffen wir mit großer Wahrscheinlichkeit "den Müllmann", der Hunde hasst und mit seiner mobilen Mülltonne am Spazierweg der Agger die Eimer leert.

Er macht oft extra Krach, habe ich den Eindruck, weil sich meine Hunde dann fürchten und schnell weg wollen. Nanouk hört ihn schon sehr früh und ist dann völlig verunsichert, auch wenn ich möglichst weit weg gehe von seiner Route und warte, bis er wieder verschwindet.

Und wir treffen dann oft "den Opa" - ein älterer Herr, der mit einem dicken Spazierstock seine Runden läuft - auch der macht Nanouk schreckliche Angst. Obwohl der das gar nicht will und immer wieder betont, wie schlimm und traurig er es findet, dass Nouki solche Angst vor ihm und der Umwelt im Allgemeinen hat.

Dann gibt es auch schon mal frühe Jogger oder Angler mit voller Ausrüstung und Montur - auch alles sehr bedenkliche "Objekte", die Angst machen können, oder halt andere Menschen mit und ohne Hund.

Weggeworfene Stücke Müll, die eine gewisse Größe haben, sind auch gefährlich und gruselig. Sowas liegt leider nach den Wochenenden öfters am Wegesrand, entsorgt von den netten Menschen, die zur Agger kommen, weil es dort ja so schön ist...

Am schlimmsten ist es allerdings - und zwar für uns alle drei - wenn wider Erwarten ein Fahrzeug auf dem Spazierweg in unsere Richtung fährt. Ob das nun ein Auto des Aggerverbandes ist, ein Traktor oder ein Holz-LKW ... egal, ich versuche dann, beide Hunde nah zu mir und an den eher schmalen Wegesrand zu bekommen.

Ich hab Herzrasen, die Hunde meist auch und wir sind dann meist alle drei überfordert, denn Nanouk will einfach nur irgendwohin weg, Gioya setzt oder legt sich auf den Weg, ich hantiere mit Gioyas kurzer Leine und Nanouks Schleppleine herum und irgendwie scheint mir in solchen Momenten alles abhanden zu kommen, was ich weiß und kann - während das Fahrzeug immer näher kommt und der Fahrer natürlich möchte, dass wir uns zeitnah ins Nirwana auflösen, damit er seinen Weg fortsetzen kann.

Danach haben wir alle drei keine Lust mehr und wollen heim. Blöd, wenn das schon in den ersten hundert Metern des Spaziergangs passiert. Am besten nacheinander - Müllmann, Opa und Fahrzeug - dann ist es echt gelaufen für uns.

Ja, und ich sag's euch ganz ehrlich -  ich hadere dann schon mal mit dem Universum, warum es mir zwei Hunde geschickt hat, mit denen es so schwierig ist.

Dabei ist das ja genaugenommen Blödsinn, denn weder Gioya noch Nanouk sind wirklich schwierig im Handling. Es ist einfach die Situation, die mich überfordert.

Wenn wir allein sind, ist alles gut / (c) Foto Landgrafe

Wie überfordert müssen sich meine Hunde dann in solchen Situationen fühlen, wenn ich schon ein Thema damit habe? 

Oder Hunde im Allgemeinen?

Wir können ihnen oft so wenig erklären und doch sollen sie so viel tun und können, was wir für einfach und selbstverständlich halten - was aber für unsere Hunde eben weder einfach noch selbstverständlich ist.

Und ich sag auch das ehrlich - ja, ich könnte mit beiden Hunden mehr üben, dann wären solche Situationen auch weniger schwierig für uns alle. Dazu wäre es notwendig, mehr Zeit einzuplanen, früher aufzustehen, einzeln mit den Hunden zu laufen und zu üben.

Dazu kann ich mich nicht durchringen, also laviere ich uns drei irgendwie durch diese Situationen hindurch, fluche, hadere und bin doch selbst dran schuld - und nicht meine Hunde!

Doof.

Aber hier setze ich jetzt mal für dich an - welche Situationen kennst du mit deinem Hund, in denen du fluchst, dich ärgerst und deinem Hund die Schuld dafür zuschiebst, statt zu erkennen, dass DU verantwortlich bist?!?

Welpe, überfordert mit "bei Fuß!" / Foto (c) Peter A / pixelio.de

Mach dir bitte bewusst, dass dein Hund nur das kann, was er gelernt hat. Und wenn du in solchen Situationen bisher nichts verändert hast und er nichts anderes lernen durfte - wie soll er denn dann bitte anders reagieren können?

Wir Menschen bringen doch unsere Hunde in diese Situationen, in die sie von sich aus gar nicht geraten würden und mit denen sie nicht umgehen können - es sei denn, wir bringen Zeit und Ruhe und Geduld auf, um ihnen beizubringen, wie sie sich "für uns angemessen" verhalten sollen.

Je aufregender oder komplexer diese Situationen sind, umso mehr Zeit und Ruhe und kleine Schritte braucht es, bis dein Hund die Zusammenhänge lernt und umsetzen kann.

Da hilft kein Leinenruck oder Schimpfen oder sonst was an Strafmaßnahmen. Diese verunsichern den Hund nur und schaden eurer Beziehung zueinander.

Marcy, überfordert mit der Situation "Spur verfolgen in der Stadt" / (c) Landgrafe

Wenn du überforderst bist, dann ist es stark von dir, wenn du dir Hilfe suchst.

Jemanden der nachvollziehen kann, was da gerade bei dir und deinem Hund los ist und der euch beiden zeigt, wie ihr aus diesem Kreislauf von Stress und Ärger aussteigen könnt.

Bitte bedenke dabei auch, dass es Zeit braucht, um ein eingefahrenes Verhaltensmuster zu unterbrechen und dafür ein völlig anderes aufzubauen. Da sind eine Menge Gefühle bei dir und deinem Hund im Spiel, die es zu beachten und zu leiten gilt.

Gib dir und deinem Hund diese Zeit - wir Menschen sind oftmals viel zu ungeduldig mit unseren Hunden, und auch mit uns selbst.

Stell dir mal zwei lange Leitern vor - die eine hat viele eng aneinander liegende Sprossen, die andere wenige, die weit voneinander entfernt sind. Was denkst du - über welche Leiter kommst du einfacher, sicherer, stressfreier und im Endeffekt auch schneller an dein Ziel ?
Wähle weise! / Grafik (c) Landgrafe


Stell dir das Training wie diese Leiter vor - nimm lieber jede einzelne kleine Sprosse, statt zu hüpfen und zu springen, um möglichst schnell die höchst erreichbare Sprosse anzupeilen.

So lernen du und dein Hund besser und nachhaltiger, und das Erlernte festigt sich auch besser.

Ich hoffe, dass du und dein Hund möglichst wenig Stress im Alltag habt. Ich wünsche es euch.

herzlichst, deine Frau Träääner, Claudia