Joker in seinem Element |
Ein viel gehörter Satz als Hundetrainer und Hundebesitzer, wenn es ums Training geht.
"Der hat gesagt,
das macht man so!"
Und ich denke - na, da
hat aber einer wieder nur halb zugehört. Denn "man" bedeutet eine
Verallgemeinerung, und bei Hunden kann man nicht verallgemeinern, denn jeder
Hund ist anders.
Ein Beispiel aus dem
Mantrailing Training, wo die Hunde lernen, der Spur einer bestimmten Person zu
folgen und diese zu finden. Meine Gruppe ist absolut unterschiedlich, was die
Charaktere der Hunde betrifft. Da haben wir den Workaholic, den Sensiblen, die
leicht Ablenkbare, die absolute Jägerin, den Stressvogel…
Würde ich alle diese
Hunde gleich trainieren, gäbe es ein Problem - beim Workaholic würde zu viel
Stress aufkommen, beim Stressvogel der bestehende Stress zu hoch werden und der
Sensible hätte gleich gar keine Lust mehr zu trailen. Also gibt es für jeden
Hund ein eigenes Startritual und eine eigene Arbeitsweise.
Start- und Endritual
sind wichtig für den Hund, um zu wissen, wann er "im Job" ist und
wann dieser endet. Gestartet wird das "Suchspiel", indem der Hund ein
Geschirr angezogen bekommt oder (falls er immer im Geschirr läuft) ihm z.B. ein
Halsband oder Halstuch angezogen wird. Beendet wird, indem man den Hund über
Futter oder Spielzeug belohnt und diese Dinge wieder auszieht.
Normalerweise,
in der Regel… wenn es da nicht eben die unterschiedlichen Charaktere gäbe.
Ende der Suche - Absitzen und ruhig futtern |
Der Stressvogel stresst
sich beim Start enorm hoch, bellt, heult, hüpft und ist völlig von der Rolle.
Keine Konzentration, nur endlich losrennen und finden wollen. Über diesen
Stress überläuft er auch Abzweige und "verläuft" sich, was ihn noch
mehr stresst.
Also behält er jetzt
zunächst die ganze Zeit sein Arbeitsgeschirr an und wird nur vom Halsband ins
Geschirr umgeklinkt.
Er wird zügig an seine Aufgabe herangeführt und darf
sofort loslaufen, ohne warten zu müssen. Seine Motivation ist hoch genug, dass
ich ihn auch mal von der Spur abkommen lasse, wenn er zu schnell ans Ziel will.
So lernt er, langsamer und konzentrierter mit seiner Nase zu arbeiten. Belohnt
wird beim Finden ganz ruhig über viel Futter, damit er sich beruhigen kann.
Die Ängstliche braucht Ruhe während des ganzen Trails und Freiraum. Jeglicher Druck würde den Hund einschüchtern und in der Suche behindern.
Also entscheidet sie selbst, wie schnell oder langsam sie sucht, wie nah sie an die Suchperson heran geht und wie sie belohnt werden möchte.
Mal
kann sie ihr Lieblingsfutter essen (wenn sie den Menschen schon kennt),
mal möchte sie ruhig gestreichelt und gekrault werden (wenn sie den
Menschen schon recht gut kennt) und bei Fremden möchte sie einfach im
Abstand sitzen und zeigen und dann zügig zurück zum Auto.
Angstmaus Milla - gefunden, aber es war gruselig! |
Der Sensible behält
ebenfalls sein Trail-Geschirr die ganze Zeit über an, wird nicht umgeschnallt,
da er immer ein Geschirr trägt, das Geschirr wird auch nicht nach jedem Trail
umgewechselt. Er darf einfach Spaß haben
und suchen, momentan ohne Regeln, und bekommt eine Riesenfete beim Auffinden
der "vermissten Person" über Futter, einen Dummy und viel Freude beim
Hundeführer, Trainer und der Zielperson.
Würde ich ihn beim
Suchen zu weit von der Spur abkommen lassen, hätte er schnell Frust und keine
Lust mehr. Auch das ständige Umschnallen vom Laufgeschirr ins Arbeitsgeschirr
ist für diesen Hund einfach zu viel und würde mit Arbeitsverweigerung quittert.
Der Workaholic bekommt
ein ruhiges Startritual mit Absitzen, Geschirr anziehen, umklinken und
Schwierigkeiten auf dem Weg, und er muss beim Finden vor der Person absitzen,
ehe die Belohnung kommt.
Und die Jägerin muss
ebenfalls beim Start ruhig sein, ehe sie Vollgas geben darf - sie sucht von
sich aus konzentriert über ihre Nase und dabei lässt sie auch Wild außer Acht -
und bekommt natürlich wieder eine Riesenfete beim Ankommen.
"Was für ein
Durcheinander!", meinte jetzt noch eine junge Dame, die in mein Training
hinein schnuppern wollte. "Mir hat man gesagt, man muss immer das Geschirr nachher
ausziehen!"
Wobei wir wieder beim
"man" und dem Verallgemeinern wären, was ich ihr auch zu erklären
versuchte.
Es gibt nicht "das
eine Konzept" im Training oder der Erziehung oder bei der Bewältigung von
Problemen. Es geht immer um den einzelnen Hund, seinen Menschen und die
Umgebung, in der beide leben und miteinander arbeiten.
Individuell die Aufgaben
anzugehen ist kein Luxus, sondern ein Erfolgs-Prinzip. Wer Ihnen weißmachen
will, er habe "das eine Konzept" für alles, bei dem sollten Sie
vorsichtig sein.
So mag nicht jeder
Erdbeerjoghurt - jeder würde ihn aber essen, wenn er dazu gezwungen würde oder
keine andere Wahl an Nahrung mehr hätte. Ob demjenigen davon aber vielleicht
schlecht wird, oder er allergisch reagiert, bliebe abzuwarten… und außerdem
wäre es ja dann seine eigene Schuld!
Nisha - Freude pur beim Finden |
So reagieren manche
Trainer - wenn Ihr eingefahrenes Prinzip bei dem einen oder anderen Hund nicht
klappt, heißt es schnell: "Der Hund
ist zu blöd oder stur", "Der gehört halt zu einer schwer erziehbaren
Rasse" oder auch "Der Halter
ist zu blöd!".
Aber jeder Hund ist ein
bisschen anders als der andere, und jeder Mensch auch. Und beide sollten das
Recht auf ein speziell zugeschnittenes und angepasstes Training haben.
Wenn Ihnen also mal
wieder jemand sagt: "Das macht man aber so!", können Sie getrost
sagen:
"Wir machen es
halt anders. Schönen Tag noch…"