Sonntag, 24. September 2017

Showdown im Wald - von Joggern, Radfahrern und Menschen mit wilden Bestien


Dayan scheucht Klein-Lotta ... spielerisch ;)

Ich bin Hundetrainer und auch Hundehalter, und daher auch oft mit Hunden auf Waldwegen unterwegs. Was mir immer wieder auffällt, ist das enorme Konfliktpotential, welches diese Strecken bei schönem Wetter bieten.

Nehmen wir das Beispiel unserer Aggertalsperre, "Halbinsel" - ein sehr beliebtes und belebtes Gebiet für alle, die sich gern in der Natur aufhalten. Dort treffen aber auch Menschen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen aufeinander, was immer wieder mächtige Konflikte schafft.

Wir haben die Spaziergänger und Familien mit Kindern, die einfach nur die Natur genießen und um die Talsperre spazieren gehen möchten. Dann die Nordic Walker, Jogger und Radfahrer, die sich dort gern sportlich betätigen und natürlich - Menschen mit Hund.

Und das Bild, das sich mir oft bietet, ist nicht das einer friedlichen Ko-Existenz, sondern es geht eher wie im Wilden Westen zu…

…eine Familie mit Kindern spaziert gemütlich über den Weg, die Kinder laufen hintereinander her. Kurz vor einer Kurve werden sie fast von einem Rennradler gestreift, der mit einem Affenzahn um die Ecke geschossen kommt. 
Er muss hastig ausweichen und schimpft dabei:  "Reichen die blöden Köter hier nicht schon? Jetzt muss man auch noch kleinen Bälgern ausweichen!"
Denn über einen der "blöden Köter", der frei herum rannte, hätte er wenige hundert Meter zuvor fast einen Salto geschlagen.

Natürlich trifft die Familie kurze Zeit später auf den besagten "Köter".  Der mittelgroße Labrador, der Menschen und Kinder besonders toll findet, rennt sofort auf sie zu - die Kinder haben Angst und rennend schreiend zu ihren Eltern. Es erschallt der altbekannte Ruf: "Der tuuut nix!"

Ja ja, richtig - der tut nix hören, wie mir scheint, denn die Halterin kann rufen, wie sie will, ihr "Tut-nix" springt fröhlich um die Kinder herum, die sich mittlerweile zwischen Mama und Papa verstecken, während Papa schon nach dem Hund tritt und schreit: "Leinen Sie endlich Ihren verdammten Köter an!"

Doch sie werden unerwartet gerettet - von einer jungen Joggerin, die jetzt um die Kurve kommt, an der Familie vorbeiläuft und sofort zum Ziel des neugierigen Labradors wird. Da auch sie Angst vor Hunden hat, rennt sie schneller - der Labrador auch - und so muss die Halterin des "Tut-nix" nun auch recht unerwartet zu sportlicher Aktivität übergehen und hinter der Joggerin und ihrem Hund her rennen.

Allerdings hat auch sie mächtig Glück - ihr Hund kommt plötzlich aus vollem Lauf zu ihr zurück, verfolgt von einem freilaufenden  Schäferhund, bellend und zähnefletschend, und von weitem schallt der Ruf: "Keine Angst, der will nur spiiiiielen…"

Sie glauben, das sei überzogen? Dann gehen Sie mal an sonnigen Tagen mit mir spazieren!

Dabei wäre es so einfach, wenn jeder dem Anderen gegenüber ein wenig mehr Verständnis und Respekt zollen würde! 
Bringen Sie Ihren Mitmenschen die Höflichkeit entgegen, die auch Sie selbst erwarten.

Bitte nicht anfassen!


Liebe Spaziergänger - bitte halten Sie sich von fremden Hunden fern. Versuchen Sie niemals, einen fremden Hund einfach anzufassen - und sei er noch so hübsch, niedlich oder klein! Nicht jeder Hund mag fremde Menschen, könnte sich bedroht fühlen und zubeißen. Halten Sie auch bitte Ihre Kinder von fremden Hunden fern! Und verlassen Sie sich bitte niemals auf die Aussage der Hundebesitzer, wenn es heißt: "Der tut nix!"

Zur Information - sollten Sie gebissen werden, weil Sie versucht haben, einen fremden Hund zu streicheln, wird Ihnen vor Gericht eine Teilschuld bis zu 50% angerechnet. 
(OLG Frankfurt, Az.: 7 U 91/99)

Liebe Radfahrer - bitte betrachten Sie öffentliche Waldwege nicht als Ihre persönliche Rennstrecke. Geben Sie Spaziergängern die Möglichkeit, Ihnen auszuweichen, indem Sie etwas langsamer um die Kurven fahren. Bitte geben Sie auch Hundehaltern die Möglichkeit, ihre Flexi- oder Schleppleinen einzusammeln und ihre Hunde zu sich heran zu rufen. Und glauben Sie mir - das rechtzeitige  Benutzen einer Fahrradklingel tut nicht weh…

Liebe Jogger - Sie werden oft erst spät wahrgenommen, wenn Sie andere Menschen überholen wollen. Rechnen Sie also damit, dass man sich erschreckt oder dass Kinder oder Hunde Ihnen plötzlich in den Weg laufen.

Joggen Sie bitte niemals frontal auf Hunde zu oder ganz nah an ihnen vorbei - egal ob an der Leine oder freilaufend - die Tiere könnten sich bedroht fühlen und zum Angriff über gehen.
Manche Hunde neigen zum Hetzen, leider auch von Radfahrern und Joggern. Verfolgt Sie ein Hund, verringern Sie sofort Ihr Tempo und bleiben Sie notfalls stehen. Laufen Sie niemals vor einem Hund weg - er ist immer schneller als Sie!!

Ist es ein freundlicher Hund -  ignorieren Sie ihn, sprechen Sie nicht mit ihm, sonst belohnen Sie ihn für sein Verhalten, denn er erhält Aufmerksamkeit von Ihnen und glaubt, alles sei in bester Ordnung. Und wird sicherlich gern wieder einen so netten Menschen verfolgen wollen. Bitten Sie aber den Hundebesitzer, besser auf seinen Schützling aufzupassen.

Knurrt oder bellt der Hund Sie an, bleiben Sie bitte ganz ruhig stehen und bitten Sie den Besitzer möglichst höflich, den Hund SOFORT abzurufen und anzuleinen, egal ob der "nur spielen will" oder auch sonst "nix tut"! Kommt er Ihrer Aufforderung nicht nach und der Hund bedroht Sie weiter, drohen Sie notfalls mit einer Anzeige beim Ordnungsamt. 

Bitte schlagen oder treten Sie nur im absoluten Notfall nach dem Hund, ansonsten provozieren Sie einen Angriff!

Zur Information - kommen Jogger oder Radfahrer durch einen Hund zu Fall, weil Sie nicht angehalten haben oder weiträumig ausgewichen sind, so erhalten Sie vor Gericht eine Mitschuld. 
 (OLG Koblenz, Az.: 5 U 27/03 und OLG Koblenz, Az.: 12 u 1312/96).

Liebe Nordic Walker - man nimmt Sie schneller wahr und Sie sind nicht ganz so schnell unterwegs. Bitte denken Sie dennoch daran, dass das Geklapper Ihrer Stöcke unsichere Hunde nervös machen kann. Machen auch Sie einen Bogen um Hunde und wenn Sie bemerken, dass es den Tieren unheimlich ist - vielleicht könnten Sie die Stöcke ja ein paar Meter weit hoch nehmen und nicht benutzen, bis Sie etwas  Abstand zu den Hunden haben…

Liebe Hundebesitzer - lassen Sie Ihren Hund nur dann frei laufen, wenn er auch sicher abrufbar ist. Ansonsten gehört Ihr Hund an eine Schleppleine! Ganz besonders, wenn er zum Hetzen neigt.
 
Sprüche wie "Der tut nix!" oder "Der will nur spielen!" sind Ausreden für versäumtes Training mit Ihrem Hund! Schlimmstenfalls folgt ein weiterer, sehr bekannter Satz: "Oh, das hat er ja noch nie gemacht…"

Nicht jeder Mensch ist begeistert von Hunden, manche Menschen haben auch Angst vor ihnen. Bitte denken Sie daran und leinen Sie Ihren Hund an oder lassen Sie ihn zumindest bei Fuß gehen oder absitzen, wenn Ihnen jemand entgegen kommt.

Und nicht jeder Hund ist begeistert von anderen Hunden!!  Vielleicht ist er mal gebissen worden oder er ist krank, oder frisch operiert und darf sich nicht stark bewegen. 

Halten Sie zunächst Abstand und klären Sie vorher, ob die Hunde sich begegnen dürfen oder nicht! Nicht erst, wenn sich die Leinen hoffnungslos verwickelt haben oder die Beißerei bereits im Gange ist.

Hey - wer bist du und was willst du?!

Hat einer der Hunde oder sogar beide Probleme mit Artgenossen, so gehen Sie zügig aneinander vorbei und diskutieren Sie das Problem bitte nicht aus - Sie machen sonst alles nur noch schlimmer. Falls Ihr eigener Hund ein "Leinen-Rambo" ist, suchen Sie sich eine gute Hundeschule und üben Sie abgesichert Begegnungen mit anderen Hunden.

Respektieren Sie, dass Hunde immer noch Raubtiere mit scharfen Zähnen sind und Schäden bei Menschen und anderen Hunden verursachen können - egal ob Yorkshire Terrier oder Deutsche Dogge.

Zur Information - flüchtet ein Mensch aus Angst vor einem freilaufenden Hund und verletzt sich dabei, ist der Hundehalter in vollem Umfang haftbar zu machen.  
(OLG Düsseldorf, Az.: 15 W 13/94 und AG Frankfurt, Az. 32 C 2314/99-48)

Hetzt ein Hund - egal welcher Größe - Wildtiere oder Nutztiere, kann der Hundehalter zu Bußgeldern und Schadensersatzansprüchen herangezogen werden. 
 (Bay. OLG, Az.: 3 ObOWi 5/2002 und AZ: LG Bonn 8 S 81/05)


Beißen sich zwei freilaufende Hunde, so trägt der Schadensverursacher die Kosten am anderen Hund.  Ist aber eines der Tiere angeleint und wird von einem freilaufenden Hund verletzt, so zahlt der Hundehalter des Freiläufers den gesamten Schaden alleine.   
(Amtsgericht Frankfurt, Az.: 32 C 4500/94-39)


Greift ein Hundehalter in eine Beißerei ein und wird vom fremden Hund gebissen, kann er Schadenersatz vom anderen Hundebesitzer verlangen
(LG Nürnberg-Fürth vom 22. 9.1992, Az. 13 S 6213/91; rechtskräftig)

Wenn alle Beteiligten diese Regeln konsequent anwenden würden, wäre der "Showdown im Wald" schnell vorbei und man könnte sich freundlich einen "Guten Tag!" wünschen…