Mittwoch, 1. November 2017

Belohnen ist prima, Bestechen ist blöd?

Man hört es immer wieder, auf die verschiedensten Arten.
Von "Ausbleiben der Strafe ist Belohnung genug!" bis hin zu "Immer reichlich Futter in den Hund".

Ich sag's euch ganz ehrlich - ich mache es "frei Schnauze". 
'Käse-Raptor' Dayan  / Foto (c) Y.Schnaubert

Wobei ich in jedem Fall fürs Belohnen bin. Manchmal auch fürs Bestechen, wenn es das Leben beider Seiten erleichtert.
Einfach nett sein finde ich halt besser als seinen Hund ständig zu korrigieren.
Wobei man manchmal halt einfach nicht nett sein kann, aber das ist ein anderes Thema.

Meine Hunde und ich, wir haben einen Deal.
Abends, wenn sie gemütlich herum liegen und nicht mehr so gern aufstehen wollen, und ich sie frage: "Hunde - Pipi machen?", dann rückt und rührt sich erstmal nix.

Och nööö, das geht noch, so dringend isset nich, ich lieg hier so gemütlich...

Also lautet mein zweiter Satz: "Hunde - Pipi machen - Keeeekse!"

Aber holla, was können die plötzlich fix die Treppe runter und nach draußen laufen - allerdings erstmal nur bis zu mir, um die Kekse abzustauben. Und damit sie sich nicht sofort wieder verkrümeln, werfe ich die Kekse in die Wiese und schließe die Tür hinter mir, keine Flucht nach drinnen möglich.
Dann kauen beide kurz, machen Pipi und wir gehen alle "Heia-machen" und sind zufrieden.

BESTECHUNG AM WERK! 
BOAH! 
BÖÖÖÖÖSE Frau Hundetrainer!!

Öhm - ja klar, aber als Teil einer angenehmen Vereinbahrung, so sehe ich das. Wieso um alles in der Welt soll ich abends mit meinen Hunden diskutieren, wenn es doch für beide Seiten so einfach und profitabel ist? Und es kostet mich nur 4 Worte und maximal 2 bis 4 Kekse, je nach Größe.
Fertig, alle glücklich. Aus die Maus.

Und ich besteche doch tatsächlich noch öfter!
Zum Beispiel meinen Setter, wenn ich sie nicht anleinen, aber dicht bei mir halten möchte, weil irgendwo ein Mensch mit Hund oder Hund ohne Mensch herum läuft und ich gern zügig dran vorbei oder in eine andere Richtung will.

Totaler Fokus auf's Spielie / Foto (c) Y.Schnaubert
Dann kommt Gioyas Spielzeug ins Spiel - im wahrsten Sinne!
Sie ist regelrecht süchtig danach (was einerseits großartig und andererseits gefährlich ist, dazu später mehr) und fokussiert nur noch ihr "Ding", egal ob Ball, Zergel, Kong oder Plüschtier.

Solange ich es in Händen halte und sie es sieht, rennt sie rückwärts vor mir her oder sitzt vor, sie hat kein Auge für ihre Umgebung.

Bestechung? 
Na, aber klar doch! Ich sage ihr schließlich körpersprachlich, dass gleich die wilde Wutz abgeht und sie das Ding hetzen, erbeuten und durch die Gegend tragen darf!
Ich muss weder rufen, noch anleinen (obwohl ich das je nach Situation natürlich mache) und habe eine strahlende Settermaus vor mir.
Manchmal ist es so einfach.
Gioya, mein Herzenshund / Foto (c) Y.Schnaubert
Wann wird Bestechung aber zum Problem?
Wenn der Mensch nicht weiß, dass er besticht und nicht belohnt.
Ich sehe oft genug Hunde, die sich erstmal vergewissern, ob ihr Mensch denn schon ein Guddie in der Hand hält, wenn er ruft oder etwas vom Hund möchte.
Und Hundi sagt deutlich: "Zeig mir erst den Keks - sonst mach ich gar nix!"

Daher ist es mir immens wichtig, meinen Kunden beide Methoden mit Vor- und Nachteilen zu erklären.
Einfache Formel: 
Erst die Leistung, dann der Keks = Belohnung!
Erst der Keks, dann die Leistung = Bestechung!
Wobei ich durchaus dafür bin, bei manchen Übungen zuerst zu locken / bestechen und dann ins Belohnen überzugehen.
Dazu muss man aber auch wieder wissen, dass Hunde nicht doof sind und gern noch ein bisschen warten, ob der Mensch nicht doch schon mal nach dem Keksi greift, wenn er sich einfach dumm stellt...

GEDULD ist da das Zauberwort, und kleine Schritte. Erst wenn der Hund sicher verstanden hat, was das neue Signal bedeutet, egal ob sprachlich oder körpersprachlich oder Pfiff, dann kann ich "verlangen", dass er das Signal auch ohne Herumwedeln mit einer halben Fleischwurst ausführt.
Aber Geduld ist so rar gesäht heutzutage... auch dazu später mehr.

Was ich damit sagen will - bestechen, locken und belohnen haben allesamt ihre Berechtigung - man sollte es nur in der richtigen Relation und aus der entsprechenden Perspektive betrachten.
Solange ich weiß, was ich da mache und welche Folgen es hat, ist doch alles entspannt, findet ihr nicht auch?

Genießer / Foto (c) Y.Schnaubert