Mittwoch, 14. März 2018

Finde die innere Mitte oder Extreme mag ich nicht

Vorwort: Heute schreibe ich über ein etwas heikles Thema und ich weiß, ich werde damit etwas Staub aufwirbeln. Sei's drum. Auf meiner Fahne steht, dass ich ehrlich sämtliche Themen anspreche, die mir wichtig sind. Also auch dieses.

Ich bin, wie ich bin.
Diesen Satz habe ich auch schon mal gesagt, weiß aber heute, das muss nicht so sein. Ich kann lernen, mich weiter entwickeln, verstehen und anwenden.
Das gilt ganz besonders für das Training mit Menschen und ihren Hunden.

 Ich sag's euch ganz ehrlich - ich bin für die Mitte. Was ich damit meine?

Gioya & ich / Foto (c) Schnaubert
Ich bin für Training aus dem Bauch heraus, aus meiner inneren Mitte, aus dem Gefühl für die Situation und den Hund - fundierter Sachverstand gepaart mit Empathie und Gefühl.

Ich bin für ein ausgeglichenes Training, bestehend aus möglichst viel Motivation und Lob und möglichst wenig Korrektur.

Ich bin liebevoll, freundlich und nett zu allen Hunden, denen ich begegne - ich kann aber auch situationsbedingt abrupt zu hart, laut und aggressiv wechseln, um einem Hund Grenzen aufzuzeigen, wenn er sie überschreitet, bzw um eine Situation rasch zu unterbrechen.

Damit meine ich ernsthafte Grenzen wie das Schnappen nach Menschen, Futter klauen aus der Hand, rüpelhaftes Benehmen bei Pubertieren oder Aggression zwischen zwei Hunden - also in Situationen, die gefährlich für Menschen oder den Hund sein könnten.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Hunde diese Reaktion verstehen, wenn sie zeitnah - also binnen einer halben bis eine Sekunde nach ihrer Aktion - erfolgt.  
Eine Aktion bringt sofortige Reaktion, so wie es zwischen Hunden auch abläuft.
Wichtig hierbei ist, dass ich nicht wütend werde und sofort nach Beenden der Situation wieder auf freundlich und motivierend umsteigen kann, ebenso innerhalb von einer Sekunde.

Korrektur hat nichts und sollte nichts mit Wut und Ärger zu tun haben.
Aber genau da liegt oft das Problem beim Hundehalter. Der Hund tut immer wieder etwas, das dem Halter nicht gefällt, was ihn zunehmend wütend macht - und dann folgt irgendwann eine Bestrafung, die sich gewaschen hat, zu über-drüber, zu laut, zu viel, zu heftig, zu lange ... leider zu falsch!

Eine Korrektur des Verhaltens sollte sofort erfolgen und zwar angemessen an das gezeigte Verhalten. Macht der Hund weiter, hat er die Reaktion seines Gegenübers nicht als Korrektur wahrgenommen, sprich nicht verstanden, dass sein Verhalten unerwünscht ist. Dann sollte man über die Art der Korrektur oder die Intensität nachdenken.

Warum überhaupt Korrektur - geht es nicht nur positiv?
Mal ganz ehrlich - ist das Leben immer nur positiv? Nein. Dinge zu akzeptieren und auch mal Frust auszuhalten gehören zum Leben dazu. Ich halte es für nicht machbar, jegliches Verhalten eines Hundes nur positiv zu trainieren.

Ich kenne Trainer, die ausschließlich positiv arbeiten, damit man es dem Hund bloß nicht unangenehm macht.  Nur kein Druck, nur kein Stress, alles Negative vermeiden. Ist auch eine Philosophie für sich. Nur nicht für mich.
Denn ich frage mich, wie lernen diese Hunde das Aushalten von Umwelt-Stress und Frust, den wir leider nicht wegzaubern können, wenn sie ständig in Watte gepackt werden?

Ich war dabei, als ein Hund von einem anderen attackiert wurde und beide Halter nur geklickert haben, statt die Situation zu beenden oder irgendwie anders aktiv einzugreifen. Einer der beiden Hunde hatte danach ein ordentliches Loch im Schenkel. Ich war ehrlich entsetzt und halte solches "rein Positiv-Training" für unverantwortlich im Sinne der Hunde und der Umwelt!

Und ich kenne Hunde, die nur "betüdelt" wurden und sich genau deswegen zu Soziopathen und Arschkrampen entwickelt haben, die einen Scheiß auf ihren Besitzer hören und die Umwelt nerven oder sogar gefährlich werden, wenn sie ihren Willen nicht sofort kriegen!


Grenzen gehören zum Leben dazu und das Setzen von Grenzen ist mit einer gewissen Frustration für den Hund verbunden. Frust ist nicht positiv, aber auch nichts, das den Hund nachhaltig schädigt. Solange es nicht im Dauerfrust endet, was Dauerstress verursacht - denn DAS schädigt den Hund in jedem Fall!

Ebenso abgeneigt bin ich bei sehr hartem Training.
Auch hier habe ich schon Sachen bei Kollegen gesehen, wo ich weggehen und wegschauen musste, weil ich diese Art der Härte und Unfairness dem Hund gegenüber nicht ertragen konnte. Auch eine Philosophie, und ebenfalls nicht meine.
Warum wird diesen Hunden immer nur "NEIN!" vermittelt, also ihr aktuelles Verhalten stetig geblockt und gedeckelt, und ihnen so selten ein "Mach es doch anders" gezeigt?
Denn Verhaltens-Alternativen zu finden ist doch so wichtig, um ein Verhalten ändern zu können. Schließlich können Hunde nicht nichts tun.

Ich mag einfach die Mitte, deutlich verschoben zur positiven Seite hin - also meine ganz spezielle innere Mitte, sozusagen.

Training aus dem Bauch heraus / Foto (c) Schnaubert
 Das böse Wort "Korrektur" - jeder versteht etwas anderes darunter, viele auch brutale Gewalt, und einige Kollegen werden jetzt aufschreien: "Wie kannst du nur...?!"
Ich könnte es auch "Verhaltensunterbrechung" nennen.

Also sage ich mal, was es für mich bedeutet - Hund Eins macht etwas mit Hund Zwei, was dieser richtig blöd findet. Also reagiert Hund Zwei abrupt aggressiv durch knurren oder schnappen. Hund Eins hört sofort auf, Hund Zwei beruhigt sich und die Situation ist geklärt.

ACHTUNG - das kommende sind Beispiele, die ich nicht grundsätzlich so handhabe, sondern immer situationsbedingt!
Muss ich ja vorsichtshalber dazu sagen, sonst hagelt es gleich wieder Beschwerden oder gute Ratschläge...

Ein rüpeliger Jungrüde rempelt mich z.B. mit 50% seiner Kraft an, ich schubse prompt mit 70% zurück, also durchaus härter als er, und sage scharf: "Hey!"
Beides bewirkt zumindest ein Aufhorchen und kurzes Nachdenken und wird als abwehrend gemeinte Gegenreaktion gewertet.
In diesem Moment lobe ich freundlich, denn er steht erstmal nur da und macht keinen Blödsinn mehr. Meist braucht es nicht mehr als zwei oder drei solcher Reaktionen meinerseits und ich werde nicht mehr angerempelt. Ausprobiert, gescheitert, das Thema "Menschen anrempeln" ist durch. Bei mir.
Ob er es bei anderen sein lässt, hängt ganz vom weiteren Training ab.

Ein Welpe beißt mich ohne Hemmung in den Finger, ich drücke kurz und fest seine Zunge nach unten, was er höchst unangenehm findet und meine Finger ausspuckt. Auch das passiert maximal zwei oder drei Mal, dann weiß der kleine Kerl, dass ich zurückbeiße und wird deutlich vorsichtiger mit dem Einsatz seiner Zähnchen, was ich dann auch zulasse. Vorsichtig knabbern - okay, feste zubeißen - no go!

Aktion - Reaktion.
Ich muss weder schlagen, noch treten oder heftig an der Leine rupfen. Ich muss nicht brüllen oder dem Hund eine Standpauke halten. Nur eine prompte Reaktion auf seine nicht gewollte Aktion zeigen. Eine hunde-verständliche Reaktion, angepasst an die vorhergehende Aktion des Hundes! Dabei geht es mir immer um eine Unterbrechung des aktuellen Verhaltens, um danach durch gezieltes Training Alternativen aufbauen zu können!

Hundeverhalten ist so immens vielfältig und hat immer Ursachen und Gründe, gute Gründe, die es zu ermitteln gilt. Hört ein Hund nicht auf, ein gewisses Verhalten zu zeigen, muss man tiefer graben und nach der Ursache forschen.
Wieso tut er das? Hat er irgendwo ständig Stress? Wird er nicht oder falsch verstanden? Ist er krank, hat er Schmerzen oder ein nicht erfülltes Bedürfniss?
Wer das nicht mit ins Training einbezieht, trainiert gegen statt mit dem Hund.

Das Leben ist niemals nur positiv oder nur negativ. Und so sollte man es auch leben und seinen Hund trainieren. 
Ich kann euch nur raten, findet eure ganz spezielle innere Mitte.
Denn das Bauchgefühl hat beinahe immer Recht. Und wenn es damit hapert, sucht euch einen guten Trainer, der euch dabei hilft, wieder ein gutes Bauchgefühl zu erlangen.