Montag, 29. Mai 2023

Ich kann nicht mehr... - wenn Mensch und Hund überfordert sind

Es ist Montagmorgen, und ich bin spät dran. 

Das bedeutet, mit großer Wahrscheinlichkeit wird unser Morgenspaziergang wieder Nerven kosten, länger dauern oder sehr viel kürzer enden als ursprünglich geplant.

Denn mit unserem Herdenschutzhund Nanouk ist kaum ein Spaziergang einfach, leicht oder entspannt. Er hat auch nach mehr als zwei Jahren noch immer Angst - vor allem und jedem, egal ob Mensch, Objekt, Geräusch oder Geruch.

Da ist einfach zu viel "Welt" in dieser Welt für ihn, er ist immer wieder überfordert und weiß dann nicht, was er tun soll - mutig sein und es sich anschauen oder doch lieber weit weg flüchten und sich verstecken, so gut es geht, bis die Gefahr vorbei ist?!?

Nanouk - möglichst weit hoch und verstecken / Foto (c) Landgrafe

Wenn ich zu spät zum Morgenspaziergang am Montagmorgen aufbreche, treffen wir mit großer Wahrscheinlichkeit "den Müllmann", der Hunde hasst und mit seiner mobilen Mülltonne am Spazierweg der Agger die Eimer leert.

Er macht oft extra Krach, habe ich den Eindruck, weil sich meine Hunde dann fürchten und schnell weg wollen. Nanouk hört ihn schon sehr früh und ist dann völlig verunsichert, auch wenn ich möglichst weit weg gehe von seiner Route und warte, bis er wieder verschwindet.

Und wir treffen dann oft "den Opa" - ein älterer Herr, der mit einem dicken Spazierstock seine Runden läuft - auch der macht Nanouk schreckliche Angst. Obwohl der das gar nicht will und immer wieder betont, wie schlimm und traurig er es findet, dass Nouki solche Angst vor ihm und der Umwelt im Allgemeinen hat.

Dann gibt es auch schon mal frühe Jogger oder Angler mit voller Ausrüstung und Montur - auch alles sehr bedenkliche "Objekte", die Angst machen können, oder halt andere Menschen mit und ohne Hund.

Weggeworfene Stücke Müll, die eine gewisse Größe haben, sind auch gefährlich und gruselig. Sowas liegt leider nach den Wochenenden öfters am Wegesrand, entsorgt von den netten Menschen, die zur Agger kommen, weil es dort ja so schön ist...

Am schlimmsten ist es allerdings - und zwar für uns alle drei - wenn wider Erwarten ein Fahrzeug auf dem Spazierweg in unsere Richtung fährt. Ob das nun ein Auto des Aggerverbandes ist, ein Traktor oder ein Holz-LKW ... egal, ich versuche dann, beide Hunde nah zu mir und an den eher schmalen Wegesrand zu bekommen.

Ich hab Herzrasen, die Hunde meist auch und wir sind dann meist alle drei überfordert, denn Nanouk will einfach nur irgendwohin weg, Gioya setzt oder legt sich auf den Weg, ich hantiere mit Gioyas kurzer Leine und Nanouks Schleppleine herum und irgendwie scheint mir in solchen Momenten alles abhanden zu kommen, was ich weiß und kann - während das Fahrzeug immer näher kommt und der Fahrer natürlich möchte, dass wir uns zeitnah ins Nirwana auflösen, damit er seinen Weg fortsetzen kann.

Danach haben wir alle drei keine Lust mehr und wollen heim. Blöd, wenn das schon in den ersten hundert Metern des Spaziergangs passiert. Am besten nacheinander - Müllmann, Opa und Fahrzeug - dann ist es echt gelaufen für uns.

Ja, und ich sag's euch ganz ehrlich -  ich hadere dann schon mal mit dem Universum, warum es mir zwei Hunde geschickt hat, mit denen es so schwierig ist.

Dabei ist das ja genaugenommen Blödsinn, denn weder Gioya noch Nanouk sind wirklich schwierig im Handling. Es ist einfach die Situation, die mich überfordert.

Wenn wir allein sind, ist alles gut / (c) Foto Landgrafe

Wie überfordert müssen sich meine Hunde dann in solchen Situationen fühlen, wenn ich schon ein Thema damit habe? 

Oder Hunde im Allgemeinen?

Wir können ihnen oft so wenig erklären und doch sollen sie so viel tun und können, was wir für einfach und selbstverständlich halten - was aber für unsere Hunde eben weder einfach noch selbstverständlich ist.

Und ich sag auch das ehrlich - ja, ich könnte mit beiden Hunden mehr üben, dann wären solche Situationen auch weniger schwierig für uns alle. Dazu wäre es notwendig, mehr Zeit einzuplanen, früher aufzustehen, einzeln mit den Hunden zu laufen und zu üben.

Dazu kann ich mich nicht durchringen, also laviere ich uns drei irgendwie durch diese Situationen hindurch, fluche, hadere und bin doch selbst dran schuld - und nicht meine Hunde!

Doof.

Aber hier setze ich jetzt mal für dich an - welche Situationen kennst du mit deinem Hund, in denen du fluchst, dich ärgerst und deinem Hund die Schuld dafür zuschiebst, statt zu erkennen, dass DU verantwortlich bist?!?

Welpe, überfordert mit "bei Fuß!" / Foto (c) Peter A / pixelio.de

Mach dir bitte bewusst, dass dein Hund nur das kann, was er gelernt hat. Und wenn du in solchen Situationen bisher nichts verändert hast und er nichts anderes lernen durfte - wie soll er denn dann bitte anders reagieren können?

Wir Menschen bringen doch unsere Hunde in diese Situationen, in die sie von sich aus gar nicht geraten würden und mit denen sie nicht umgehen können - es sei denn, wir bringen Zeit und Ruhe und Geduld auf, um ihnen beizubringen, wie sie sich "für uns angemessen" verhalten sollen.

Je aufregender oder komplexer diese Situationen sind, umso mehr Zeit und Ruhe und kleine Schritte braucht es, bis dein Hund die Zusammenhänge lernt und umsetzen kann.

Da hilft kein Leinenruck oder Schimpfen oder sonst was an Strafmaßnahmen. Diese verunsichern den Hund nur und schaden eurer Beziehung zueinander.

Marcy, überfordert mit der Situation "Spur verfolgen in der Stadt" / (c) Landgrafe

Wenn du überforderst bist, dann ist es stark von dir, wenn du dir Hilfe suchst.

Jemanden der nachvollziehen kann, was da gerade bei dir und deinem Hund los ist und der euch beiden zeigt, wie ihr aus diesem Kreislauf von Stress und Ärger aussteigen könnt.

Bitte bedenke dabei auch, dass es Zeit braucht, um ein eingefahrenes Verhaltensmuster zu unterbrechen und dafür ein völlig anderes aufzubauen. Da sind eine Menge Gefühle bei dir und deinem Hund im Spiel, die es zu beachten und zu leiten gilt.

Gib dir und deinem Hund diese Zeit - wir Menschen sind oftmals viel zu ungeduldig mit unseren Hunden, und auch mit uns selbst.

Stell dir mal zwei lange Leitern vor - die eine hat viele eng aneinander liegende Sprossen, die andere wenige, die weit voneinander entfernt sind. Was denkst du - über welche Leiter kommst du einfacher, sicherer, stressfreier und im Endeffekt auch schneller an dein Ziel ?
Wähle weise! / Grafik (c) Landgrafe


Stell dir das Training wie diese Leiter vor - nimm lieber jede einzelne kleine Sprosse, statt zu hüpfen und zu springen, um möglichst schnell die höchst erreichbare Sprosse anzupeilen.

So lernen du und dein Hund besser und nachhaltiger, und das Erlernte festigt sich auch besser.

Ich hoffe, dass du und dein Hund möglichst wenig Stress im Alltag habt. Ich wünsche es euch.

herzlichst, deine Frau Träääner, Claudia

Freitag, 10. September 2021

Der Kommando-Irrsinn - oder Der muss, der soll, der darf das nicht!

 

"Hörst du jetzt wohl?!" / Foto (c) Landgrafe

"Ben! Was hab ich dir gesagt? Hörst du jetzt wohl?!"

Nein, dieser Satz ist nicht an einen fünfjährigen bockigen Jungen in einem Supermarkt gerichtet, der zum wiederholten Male Blödsinn macht. 
Er gilt einem etwa vier Monate jungen Mischlingswelpen, der an der Leine zieht, weil er zu einem anderen Hund hin möchte, um mit ihm zu spielen.

Zusätzlich wird einmal kräftig an der Leine geruckt, die an einem dünnen Halsband befestigt ist. Der Mann beugt sich über Ben, packt ihn am Halsband und drückt seinen Popo zeitgleich kräftig runter.
"SITZ! So. Nein, S I T Z !!" wiederholt er wütend und zwingt den hibbeligen Hundepopo energisch zu Boden.

Ich versuche zu intervenieren und sage: "Er ist doch noch so jung und aufgeregt. Sitzen fällt ihm wirklich sehr schwer in dieser Situation."
Die Antwort: "Das muss er lernen!"

Und ich stehe da und seufze tief. Und denke, armer kleiner Wauzi.
Leider steht dieses Duo nicht auf meinem Hundeplatz, sondern in einem Tierbedarfsladen und ich habe weder Handhabe, noch Erziehungsauftrag für einen der beiden.

Ich sag's euch ganz ehrlich - es fällt mir oft sehr schwer, die Klappe zu halten und nicht von meinem Job als Fachberaterin auf "Frau Träääner" umzuswitchen und dem netten Herrn erstmal einen Vortrag über vernünftige Erziehung und einen fairen Umgang mit Hunden halten zu können. 
Dennoch versuche ich dann immer, die Situation so gut es eben geht für den Hund zu gestalten. So gut, wie es mir möglich ist. So gut, wie mich die Hundehalter es tun lassen.

Täglich sehe ich, wie unüberlegt und unfair Hunde behandelt werden und wie sie sich dabei fühlen müssen. Wie sie ihre Ohren zurücklegen, sich wegducken oder sich aufregen und bellen und knurren, weil sie mit der aktuellen Situation im Laden oder draußen völlig überfordert sind.

Ihre Halter sehen dann nur den ungehorsamen Hund, den man zur Vernunft und zum Gehorsam zwingen muss - ich sehe ein völlig überfordertes, unverstandenes Lebewesen, das versucht zu zeigen, wie es ihm gerade geht und entweder eher subtil oder auch mal sehr energisch um Hilfe ruft.

Leider lässt es meine Zeit momentan nicht zu, Einzeltrainings zu geben. Denn momentan bin ich es, die Hilfe und Ruhe braucht und ich darf gerade lernen, mich um mich selbst zu kümmern. Doch das ist ein anderes Thema.

Dennoch macht es mich traurig und manchmal auch wütend zu sehen, wie lapidar Hunde verurteilt werden, reduziert werden auf gutes oder schlechtes Verhalten. 

"Fass mich nicht an!" / Foto (c) Fischer

Verhalten hat immer eine Ursache!

Verhalten soll einen Zustand verändern, ein Bedürfnis stillen, einen Ausgleich herbeiführen, und immer die aktuelle Situation verbessern, in der der Hund gerade drin steckt!

Wenn ein Hund "unerwünschtes Verhalten" zeigt, dann deswegen, weil er in Situationen gebracht wird, mit denen er allein nicht zurecht kommt und die er nach seinem Denken zu lösen versucht.

Da hilft es weder, ihn dafür noch zu bestrafen oder zu versuchen, ihn wieder liebzustreicheln... 

Der muss aber.... was denn? Gesellschaftsfähig sein? Einen nicht blamieren? Gehorsam sein? Fügsam? Brav...um jeden Preis?

Wir Menschen, die wir unsere Hunde selbst aussuchen und in unser Leben holen, bestimmen ihren ganzen Tagesablauf - vom Aufstehen und Ruhen über die Art und den Zeitpunkt der Futteraufnahme und wann er mal Pinkeln darf und wann gefälligst nicht ... 
Ständig Sitz, Platz, komm, nein, aus, weg da, lass das, pfui, Schluss jetzt - was dürfen denn unsere Hunde überhaupt noch? 
Vor allem - wann haben sie ein Mitspracherecht?

Wir diktieren doch nahezu den ganzen Tagesablauf und wundern uns dann, wenn sie eigene Ideen haben und diese umzusetzen versuchen...? Ernsthaft?!

Hast Du Deinen Hund mal ernsthaft gefragt, ob und wann er gern Gassi gehen würde und wo?
Hast Du ihn gefragt, was er gern essen mag und was eher nicht so gern?
Darf er auch mal den Weg und die Richtung des Gassigehens bestimmen?
Darf er entscheiden, welches Leckerli er heute gern hätte und wann er kuscheln oder in Ruhe gelassen werden möchte?
Welche Beschäftigungen mag dein Hund wirklich?

Hunde brauchen gewisse Dinge von uns, und das ist weit mehr als nur zwei Runden um den Block im Eilschritt, ein bisschen Trockenfutter und Wasser.

Folgende Grundrechte sollten jedem Hund zugestanden werden:

Freundliche Ansprache und Umgang, das möchten wir schließlich auch. Strenge Kommandos sind ein Relikt aus den Siebzigern. Freundlich und ruhig geht alles viel besser.
Unterschätze nie, wie sehr unsere Hunde uns beobachten und wahrnehmen, wie wir Menschen auf gewisse Situationen reagieren. Sie übernehmen schnell unsere Strategien und Stimmungen.

Ruhe vorleben beim Jagdersatz-Training ist wichtig / Foto (c) Hahn

Gesehen werden, denn ignorieren ist eine der schlimmsten Strafen für ein soziales Lebewesen. Lächle Deinen Hund doch mal an oder zwinkere ihm zu, wenn er Dich anschaut. Glaub mir, er versteht und übrigens, auch Hund können lächeln und lachen :)

Achtsam und klar geführt werden. Hunde brauchen einen klaren Leitfaden in unserer Welt, damit es nicht zu Konfrontationen und Unfällen kommt. Das muss der Mensch übernehmen, indem er freundlich und konsequent Grenzen aufzeigt und dem Hund Sicherheit und ausreichend Raum zur Entfaltung bietet - unter Beachtung, dass auch andere Menschen und Hunde ihren Freiraum haben und sich dieser nicht ungefragt mit dem eigenen überschneiden sollte.

Liebevoll und achtsam berührt zu werden, ist lebenswichtig, nicht nur für unsere Hunde. Achtsame Berührungen sind willkommener Körperkontakt, liebevolle Zuwendung, und das bedeutet gleichzeitig, ich nehme wahr, wann, wo und wie mein Hund berührt werden möchte und wann, wie und wo eben nicht!
Einfach mal das Fell durchwurschteln oder den Kopf tätscheln sind eher grobe Übergriffe und werden von freundlichen Hunden nur geduldet, aber nicht genossen.

Lachende Gioya :) / (c) Foto Schnaubert

Sich frei bewegen und schnüffeln dürfen, und das ausgiebig, bei jedem Spaziergang, ohne ständig irgendwelche Kommandos befolgen zu müssen. 
Hunde sind nun mal Nasentiere und erkunden ihre Umgebung zu großen Teilen über den Geruchssinn. 
"Frei bewegen" kann auch bedeuten, an einer langen >> Schleppleine, wenn es anders (noch) nicht geht.

Schnüffeln dürfen - ein Grundbedürfnis! / Foto (c) Hahn

Schmackhafte Nahrung und stetiger Zugang zu Wasser. 
Muss Dein Hund wirklich jeden Tag das Gleiche essen? Warum? 
Klar ist in vielen (nicht in allen!!) Futtersorten alles drin, was der Organismus zum Leben braucht, aber mal ehrlich - möchtest Du jeden Tag Linsensuppe essen, selbst wenn es Dein Leibgericht wäre...? 
Ein bisschen Genuss und Abwechslung tun jedem Lebewesen gut, helfen Mangelerscheinungen zu vermeiden und ernähren auch die Darmflora, die unserem Immunsystem hilft gesund zu bleiben.

Geschützt Erfahrungen machen, ohne überbehütet zu werden. 
Wie wir lernen Hunde durch Ausprobieren, Versuch und Irrtum. Lass Deinen Hund die Welt erkunden, so gut es geht und möglich ist, ohne dass er oder die Umwelt in Gefahr gerät. Dazu gehören auch Frust-Erfahrungen, wenn etwas nicht erreichbar oder "blöd" ist.
Zeige ihm, was er gefahrlos machbar kann und setze ihm liebevoll konsequent Grenzen, wo es nötig wird.

Welpen-Stadttraining, ganz achtsam / (c) Landgrafe

Ein ruhiger, störungsfreier, warmer und trockener >> Schlafplatz
Dein Hund sollte die Möglichkeit haben, sich zurückziehen zu können, ohne dass er von jemandem gestört wird. Das sollte klar sein, besonders in Haushalten mit Kindern oder viel Besuch. 
Hunde brauchen bis zu 20 Stunden Ruhe am Tag. Gestresste Hunde, die immer wieder in ihrer Ruhephase gestört werden, können Aggressionen entwickeln, genau wie Menschen mit zu wenig Schlaf...

Entspannt, ruhig und geschützt / (c) Landgrafe

Aber er muss doch...?

Muss er wirklich ständig "Sitz" und "Platz" machen? 
Muss er alle Hunde toll finden?
Und muss er zu allem, was mit ihm und um ihn herum geschieht, wirklich immer "Ja und Amen" sagen?!?

Wieso eigentlich?

Ich würde mir wünschen, wenn Du einmal über folgendes nachdenkst:
  • Wann und wie oft gebe ich meinem Hund ein "Kommando" und wieso? 
  • Ist dieses "Kommando" wirklich in dieser Situation absolut notwendig und warum?
  • Braucht es wirklich immer dieses Kommando oder gibt es Alternativen dazu?
  • Und ist es ein Kommando oder eine Bitte um Kooperation?!?
Ich gebe Dir gern ein paar Beispiele, damit Du verstehst, auf was ich hinaus will.

Meine Hunde müssen am Bordstein stehenbleiben, bevor ich eine Straße überquere - weil sie sonst überfahren würden. Sie können dabei aber stehenbleiben, weil sie sich weder auf eine klatschnasse Straße noch in den Schnee setzen müssen. Würde ich nämlich auch doof finden. Zudem ist unser neuer Herdie zu nervös zum Sitzen und mein Setter hat eine kaputte Hüfte - also ruhig stehen. Das reicht.

Ich rufe oder >> pfeife meine Hunde nur selten beim Spaziergang heran, wenn nichts weiter anliegt. Kommen Menschen, egal ob mit oder ohne Hund, habe ich sie gern nah bei mir, ansonsten dürfen sie herumtrödeln oder ein Stück voraus laufen.
Ständiges Rufen und Pfeifen stumpft nur die Wirkung des Signals herab. Kann ich einen gewissen Radius um mich herum noch nicht gewährleisten, kommt eine >> Schleppleine an den Hund. Punkt.

Meine Hunde warten kurz beim Füttern, während ich die >> Näpfe hinstelle, wobei "kurz" etwa drei Sekunden sind *lach*. Wozu soll ich sie beim Servieren ihrer Mahlzeit lange warten lassen? Es genügt mir, dass sie mich in Ruhe die Näpfe abstellen lassen und keinen Kopfsprung versuchen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, einen Hund vor dem Napf sitzen und lange warten zu lassen. 

Also schau mal, wo Du über den Tag verteilt völlig überflüssig Deinen Hund reglementierst und dann lass es doch einfach sein ;)
Dein Hund wird sich freuen.


herzlichst,
Eure Frau Trääner

P.S.: die blau unterlegten Worte führen Euch zu schönen Produkten, und falls Ihr darüber etwas kauft, entstehen Euch keine Mehrkosten, sondern ich verdiene ein paar Cent daran :)

Mittwoch, 20. Januar 2021

Wenn die Welt sich einfach weiterdreht oder Du fehlst...

Strahlemann / Foto: Schnaubert


Die Welt dreht sich einfach weiter.

So kommt es mir vor. Die Welt dreht sich weiter, es regnet oder schneit, die Post kommt, ich muss putzen und Wäsche machen.

Aber da ist ein Loch in unserem Haus. Ein stilles Loch.

Gioya will spielen und kuscheln. Aufgrund ihrer erst kürzlich erfolgten Goldnadelbehandlung muss sie noch geschont werden. Das bedeutet, drei Mal am Tag ein kurzer Spaziergang an der Leine, ansonsten Kopftraining mit Spielzeug und Futter im Haus.
 

Aber da ist kein Grummeln, kein Drängeln, kein Stapfen von dicken Yetifüßen. Das stille Loch hat alle Geräusche aufgesaugt.

Du fehlst. Ach, wie du fehlst.

Müder Bär / Foto: Landgrafe

Ja, du warst laut und anstrengend und groß und stur und hast uns so viel Zeit gekostet, so viel Arbeit, so viel Mühe, Geld und letztendlich auch Tränen.

Und dennoch würden wir alles geben, wenn du jetzt einfach aus dem Garten reinstapfen und meckern würdest, weil dir mal wieder dein Essen nicht passt. Oder es aus deiner Sicht zu wenig war. Oder beides, nacheinander.

Bei Ty waren wir am Boden zerstört, als er unerwartet gehen musste. Bei dir war es abzusehen, ein schrecklicher schleichender Prozess, unaufhaltsam. Jetzt sind da zwei Löcher in unseren Herzen, dicke Prankenlöcher, und sie tun einfach nur weh.

Du fehlst. Ach, wie du fehlst...

Pommes-Raptor / Foto: Landgrafe

Niemand wird dich je ersetzen können. 
So wie du auch Ty nicht ersetzen konntest. Er war er und du warst du. Niemand kann jemand anderen im Herzen ersetzen, nur ein neues Stückchen davon einnehmen.

Ty fehlt. 
Und du fehlst.
Ach, wie du fehlst...

... / Foto: Landgrafe

Und jetzt sitze ich hier und weine, und hab das Gefühl, das schwarze stille Loch saugt alles auf.
Tageweise geht es, dann kommt ein Moment und du bist so präsent und dann... dann fehlst du so sehr.

Wir waren uns einig - kein zweiter Hund mehr! Auf keinen Fall.
Okay, vielleicht irgendwann.
Gut, vielleicht Ende diesen Jahres...

Verrückterweise haben wir nun doch schon seit Tagen Adoptionsseiten gewälzt. Wir haben so sehr das Bedürfnis, dieses stille Loch mit neuem Leben zu füllen.

Wir hauen uns gegenseitig auf die Finger.
Erwägen.
Sind uns einig und dann doch wieder nicht.
Noch nicht.
Gioyas Genesung hat Vorrang. 
Wir müssen unsere ausgebeuteten Reserven auffüllen - finanziell, energetisch, seelisch...

Aber du fehlst, ach wie du fehlst...

Gut drauf im Sommer 2019 / Foto Schnaubert

Wir werden es nicht bis Ende diesen Jahres schaffen, davon bin ich überzeugt.

Man wird uns als völlig verrückt bezeichnen, weil wir wieder Geld ausgeben, Nerven lassen, weniger schlafen, mehr zu tun haben werden.

Doch genauso wie Ty und danach du wird da jemand in unser Leben stolpern, der uns ebenso braucht wie wir ihn. Oder sie. Wer weiß das schon so genau?

Und vielleicht wirst du unseren Blick auf diesen Hund lenken, so wie Ty unseren Blick auf dich gelenkt hat. Zur richtigen Zeit. 
Davon sind wir überzeugt.
Deswegen glauben wir auch, dass es keinen Sinn hat, sich auf eine Rasse einzuschießen, oder ein Geschlecht, oder ein Alter. Das hatte ja bei dir schon nicht geklappt *lach*.

Du fehlst, und du wirst immer fehlen, so wie auch Ty immer fehlen wird.
Wir haben euch beide so lieb, immer noch.

So, bäh! / Foto Schnaubert

Mach's gut, du sturköpfiger Wuschelbär mit den dicken Yetifüßen.

Ich wette, du lachst da oben, während du über die Wiese rennst und rufst: "Haaaasiii, warte doch!"
Ich hoffe, du fängst ihn (sorry, Hasi).

Mach dir keine Gedanken um uns. 
Du bist nur vorausgegangen.
Wir sehen uns irgendwann wieder, mein dicker Bär.

Und wundere dich nicht, wenn wir dann ein ganzes Rudel im Gepäck haben...




 

Dienstag, 12. Januar 2021

Unser Goldstück - innen und überhaupt und überall

 

Gioya 2019 / Foto: Y. Schnaubert

Nachdem im September 2015 unser Ty von uns gegangen war, wollten wir erstmal keinen Hund mehr. 

Unser Ty - unvergessen... / Foto: C. Landgrafe

Wir wollten uns erholen, finanziell, nervlich und seelisch, wir wollten Urlaub und ohne schlechtes Gewissen Ausflüge und Unternehmungen machen, die mit Hund eher schwierig bis unmöglich sind.

Drei Monate hielten wir mehr schlecht als recht ohne Hund durch, dann ging es einfach nicht mehr und am 08. Januar 2016 zog Dayan bei uns ein, ein siebenjähriger Wooly Husky aus dem Tierschutz.

Dayan war von Anfang an der Hund meines Mannes, zwei Seelen die einander wiedergefunden hatten, so kam es uns vor. 

Dayan war großartig - laut, stur, lustig, kommunikativ den ganzen Tag... aber nicht mein Hund.


Dayan kurz nach seiner Ankunft / Foto: C. Landgrafe

Mir fehlte da etwas, immer mehr, und so kam es, dass ich mich im April 2017 in ein paar große braune Augen verliebte, die aus einem Skelett mit Fell heraus schauten - Gioya, damals noch "Kuia" genannt.

Gioya auf ihrer Pflegestelle in Spanien / Foto: Setter Rescue Germany e.V.

Ich war schockverliebt in diesen "The living dead Setter" und wusste einfach, sie ist mein Hund.

Am 13. Mai durften wir sie in Empfang nehmen - einen ausgemergelten Körper mit stumpfem Blick, ohne Interesse am Menschen, dafür flog sie regelrecht hinter jedem Vogel her, ungeachtet der Leine oder eines Zauns oder sonstiger Gefahren...

Skelett mit Fell, schon etwas aufgepäppelt... / Foto: C. Landgrafe

Achtundvierzig Stunden haben wir alle kaum geschlafen nach ihrer Ankunft. Sie rannte und rannte und ich musst sie im Haus an die Leine legen und zwischendrin auch aufs Sofa packen und festhalten. 
Nur langsam kam sie runter und zur Ruhe und entdeckte... das Leben :)

Nach einer Woche bei uns / Foto: C. Landgrafe

Vier Wochen nach ihrer Ankunft... / Foto: C. Landgrafe

Gioya Herbst 2019 / Foto: Y. Schnaubert

Während es Dayan leider unaufhaltsam schlechter ging aufgrund seiner vielen körperlichen Baustellen, wurde auch Gioya langsam immer kranker. Immer wieder schwollen ihre Handgelenke an, wurden wieder dünner und doch wieder dicker.

Wir versuchten nach und nach alles, doch unaufhaltsam wurde es schlimmer und schlimmer...

- Homöopathie

- Akupunktur

- Physiotherapie

- Ernährungszusätze

- Blutegel

- Entzündungshemmer

- Spritzen in die Gelenke

- zuletzt Kortison auf Dauer und Novalgin, wovon ihr schlecht wurde...


Alle Gelenke geschwollen und schmerzhaft / Foto: C. Landgrafe

Wir kamen an einen Punkt, an dem ich verzweifelt nach Hilfe für Gioya suchte. So ging es einfach nicht weiter und die Aussichten waren mies.

Ich googelte immer wieder, wochenlang, nach anderen Therapieansätzen, die bei schwerer Polyarthritis helfen würden. Nichts erschien mir sinnvoll oder nachhaltig.

Unser wirklich sehr lieber Haustierarzt sagte bei einer Untersuchung im bitteren Scherz, als ich ihn nach Goldakupunktur fragte: 

"Eigentlich müsste man dann ein Schrotgewehr mit Gold laden und draufhalten."

Die Sorge um Dayan und Gioya war groß und wir weinten viel und oft, weil wir einfach am Ende unserer Kräfte, Ideen und Möglichkeiten waren.

Am 06. Januar 2021 ging Dayan ins Licht... dazu an anderer Stelle später mehr. 

Ich möchte hier nicht zu viel dazu schreiben, nur dieses - er hat Gioya damit einen unglaublichen Liebesdienst erwiesen und uns ein wunderbares Geschenk gemacht. Auch das erkläre ich später an anderer Stelle...

Am 08. Januar hatten wir die Eingangsuntersuchung in der Praxis am Gotenring bei Frau Dr. Wilms in Köln. Ihre Diagnose war mehr als niederschmetternd - Gioya hatte solche Schmerzen, dass man sie eigentlich aus Tierschutzgründen in naher Zukunft hätte erlösen müssen.

Ich fasse es einfach zusammen - der ganze Hund war ein Schmerz, auf einer Skala von 1-10 ein satte 7 bis 8. Sämtliche Gelenke waren betroffen. Gioya hatte schlimme Rücken- und Gelenksschmerzen, überall. Dass sie noch so fröhlich auf ihren eigenen Beinen unterwegs war, grenzte fast an ein Wunder.

Frau Dr. Wilms sagte schmunzelnd, sie laufe "wie eine Schildkröte im Formel 1 Modus" - steifer Rücken, aber die Beine darunter rotieren... Gioya sei ein Hund mit solch einem unbändigen Lebenswillen und einer unglaublicher Selbstüberzeugung, das auch zu schaffen.

Ihr könnt Euch vorstellen, wie ich dort stand, mit meiner süßen kleinen Frau Setter, zwei Tage nachdem wir Dayan verloren hatten.

Es gab keine Frage, OB wir sie schmerztherapeutisch behandeln lassen würden. Egal wie und so schnell wie möglich, und wenn wir einen Kredit für sie aufnehmen müssten!

Die Kosten waren hoch. Und unsere Reserven durch die stetigen und letzten intensivmedizinischen Behandlungen von Dayan verbraucht.

Ich überlegte wie wir das jetzt stemmen sollten, während wir einen Notfalltermin für eine Woche später ausmachten. Denn unter normalen Umständen gibt es wochenlange Wartelisten...

Am Abend überredete ich meinen Mann dazu, für Gioya eine Spendenaktion in Facebook einzustellen. Jeder Euro würde helfen, und falscher Stolz war jetzt wirklich fehl am Platz.

Aktuell hatten wir für beide Hunde zusammen seit Oktober 2019 eine Summe von rund 11.000 Euro Kosten für Tierarzt, Medikamente, Physiotherapie geleistet und wir waren am Ende.

Ich hoffte auf vielleicht 500 Euro, die reinkommen würden. So hätten wir zumindest eine Anzahlung machen können und der Rest würde halt finanziert werden. Zu fast 9% durch eine Tierarzt-Bank, aber hey - Scheißegal, es ging um Gioyas Leben!

Doch es kam dann ganz schnell ganz anders...

Unser Spenden-Moneypool auf Paypal glühte regelrecht, unglaublich viele Menschen teilten unseren Aufruf und spendeten kleine und große Beträge.

Schon am Samstagmorgen hatten wir fast 1.300 Euro zusammen, und dann kam ein Anruf aus Köln - ein Termin war abgesagt worden, Gioya könnte sofort am kommenden Montag drankommen.

JA!! Ja, ja, ja!!! Natürlich sagte ich zu.

Und wir erlebten bis zum Montag ein kleines, großes Wunder für uns - durch Spenden kam der gesamte Betrag von 3.000 Euro zusammen, wir konnten die Behandlung sofort komplett bezahlen!

Ich war so aufgeregt, als ich mit meiner kleinen Maus um 8.30 Uhr ins Auto stieg und mich auf den Weg machte. 

Und alles lief völlig komplikationslos - die Anfahrt ohne Stau oder Verfahren (und ich hasse Großstädte mit drei Fahrspuren und verfahre mich regelmäßig in ihnen), ich bekam einen gebührenfreien Parkplatz!! keine 30 Meter von der Praxis entfernt, Gioya war ganz entspannt und die ganze Behandlung samt Aufwachen danach war einfach nur ruhig und gut und entspannt, so wie die ganze Atmosphäre in der Praxis.

Wir wurden mit den Worten begrüßt: "Ich freue mich so, dass ich Gioya so schnell wiedersehe und sie jetzt behandeln darf."

Es wurde darauf geachtet, dass alles leise war, dass Gioya vor Behandlungsbeginn bequem und vor allem warm gelagert wurde und dass es ihr gut ging.

Frau Dr. Wilms zeigte mir direkt praktisch, wie die Nadeln bei Gioya wirken würden. Ich spürte, wie sich ein harter Muskelstrang im Oberschenkel nur Sekunden nach dem ersten Setzen einer Nadel butterweich entspannte. Und wie sich der eigene Puls veränderte, wenn sich das gestörte Energiefeld des Hundes an dieser Stelle ausgleicht - eine unglaubliche Erfahrung!

Ich spürte die Liebe zum Tier und die Liebe zu ihrer Arbeit und ich hatte solches Vertrauen, das jetzt alles gut werden würde.

So konnte ich wirklich entspannt 2 Stunden im Wartezimmer sitzen (und für meine Prüfung zum Ernährungsberater für Hunde büffeln) und mich dann zum Aufwachen zu ihr setzen.

Im Land der Träume mit Schlafmaske / Foto: C. Landgrafe

Schon wieder wach / Foto: C. Landgrafe

Die Diagnose liest sich wirklich schlimm. 
  • Arthrosen in wirklich allen Gelenken bis in die Zehen hinein
  • mehrere Bandscheiben defekt und kaum noch vorhanden
  • Wirbel im Nacken zusammen gewachsen
  • Spondylosen (Wirbel unterhalb zusammen gewachsen) und 
  • "kissing spines" (Wirbel oberhalb zusammen gewachsen)
  • Hüftgelenksdysplasie
  • ein alter unbehandelter und falsch zusammen gewachsener Beinbruch des linken Unterschenkels (Wadenbein)
  • offener Rutenbruch auf derselben Höhe
  • alter Kreuzbandriss im Knie
  • gestörtes Narbenbild der Kastrationsnarbe am Bauch mit Verwachsungen ...
Die Röntgenbilder sprechen glaube ich für sich.

Zehen und Handgelenke von Gioya aktuell / Röntgenbild: 

Tierarztpraxis am Gotenring


Sprunggelenke hinten / Röntgenbild: 

Tierarztpraxis am Gotenring


Fusionierte Nackenwirbel (Kreis) / Röntgenbild: 

Tierarztpraxis am Gotenring


nochmal Nahaufnahme, Handgelenk links / Röntgenbild: 

Tierarztpraxis am Gotenring



Heute ist Dienstag, der 12. Januar 2021 und Gioya geht es den Umständen entsprechend gut.

Zusätzlich zu den Nadeln wurde sie umfassend untersucht, ihre Tränen-Nasen-Kanäle gespült (weil sie da Probleme mit hatte), ihre Zähne gereinigt und die Entzündungswerte im Blut kontrolliert (all inclusive).

Nur einen Tag, nachdem sie mehr als 120 Gold- und Platinnadeln im ganzen Körper, quasi von Kopf bis Fuß wortwörtlich gesehen, implantiert bekommen hat, steht und läuft sie anders.

Dicke Handgelenke und Plattfüße... / Foto: C. Landgrafe

Rückenansicht am Abend nach Behandlung / Foto: C. Landgrafe

Sie hat eine andere Körperspannung, steht deutlich gerader, aufrechter, besonders hinten hängt sie nicht mehr so durch.

Sie konnte heute (weil ich zu langsam war, um sie aufzuhalten...) zum ersten Mal seit Monaten unsere Treppe nach unten zügig laufen, statt sich langsam Stufe für Stufe vorzuarbeiten.

Wie geht es nun weiter?

Gioya wird zwei Wochen lang extrem geschont. Das bedeutet, drei kleine Spaziergänge an der kurzen Leine von maximal 15 Minuten auf geradem und möglichst sauberen Untergrund (also kein Wald...) im Schritt-Tempo.

Sie wird schrecklichen Muskelkater bekommen, weil sich ihre Schonhaltung zu einer normalen Haltung verändert, dafür bekommt sie ein gut verträgliches homöopathisches Mittel nach Bedarf.

Das Kortison wird ganz langsam in der Dosierung heruntergefahren und möglichst in einigen Wochen ganz abgesetzt.

Novalgin und Kortison werden durch ein anderes, schonenderes Medikament ersetzt, das bedarfsweise gegeben wird. Das besprechen wir noch mit unserem Haustierarzt.

Auslastung über Kopfarbeit, damit ihr nicht langweilig wird, natürlich auch nur Minutenweise, denn ein Körper der heilen will, braucht viel Ruhe.

Und dann nach 10 Tagen Beginn der Physiotherapie und Muskelaufbau.

Wir sind so froh und glücklich und danken allen Spendern und allen, die uns unterstützt haben, um das zu ermöglichen!

Ein besonders herzlicher Dank geht an die Tierarztpraxis am Gotenring - Frau Dr. Wilms und ihr Team. Einfach nur "Danke!!"


P.S.: Während der Spendenaktion gab es von einer Person die Aussage, der Preis dieser Behandlung sei "für den Spaß zu teuer" und hätte bei ihrem Hund nicht lange gewirkt (was mir für den Hund wirklich leid tut), Physio und Blutegel würden es auch tun.

Dazu möchte ich nur sagen - es gibt einen großen Unterschied zwischen dem "Preis" und dem "Wert" einer Sache.

Gioyas Leben und Befinden war und ist es uns wert, und dann spielt der Preis eine untergeordnete Rolle...

PPS: da es noch Nachfragen zu weiterer Unterstützung für die weitere Behandlung von Gioya gibt, 
hier unser Moneypool:    Spendenpool für Gioya

oder unser Konto: 
Claudia Landgrafe
Volksbank Oberberg e.V.
IBAN: DE81 38462135 2008044018



Mittwoch, 29. Juli 2020

Nur für den Augenblick - ein Post und seine Folgen...


Eingreifen oder laufen lassen? / (c) Signal-Hund

Ich öffne Facebook und scrolle ein wenig. 
Da ist ein Post, ein Baby liegt neben einem Hund in dessen Körbchen. Ich kriege regelmäßig Bauchweh bei solchen Bildern, aus gutem Grund. Warum das so ist, das erkläre ich gleich.

Ich unterdrücke den Impuls, etwas dazu zu schreiben. Das tut jemand anderes für mich, teilt meine Gedanken - und wird natürlich dafür kritisiert, dass er das Thema kritisch anspricht, wie fast immer, wenn man etwas kritisiert.

Obwohl ich nichts dazu sagen wollte, tu ich es nun doch, denn ich sage es euch ganz ehrlich - diese Harmoniesucht und permanente Kritikablehnung bei solchen Beiträgen gehen mir echt auf den Zwirn!

Wenn man nicht sofort "Oh wie süüüüß!" schmettert, ist man raus, wird selbst kritisiert und oftmals angegriffen - weitaus schärfer, als der eigene Kommentar gewesen ist.

Dabei ist es egal, ob es sich um Kinder-Hunde-Bildchen handelt oder andere Fotos oder Videos, in denen ein Hund (oder wahlweise eine Katze, ein Pferd, ein Vogel etc...) in eine Situation gebracht wird, die für ihn alles andere als schön ist. 

Hauptsache es sieht erstmal niedlich aus - oberflächlich betrachtet... 
Denn meistens ist es das nicht.

Mag das der Hund eigentlich?? / (c) Signal-Hund

Doch kommen wir mal zurück zum Augenblick, zum Post, zum Bildchen oder Video.
Warum machen Menschen sowas, denke ich mir dann. Also so etwas zu posten und dann so aggressiv auf Kritik zu reagieren.

Und bin zu folgenden Antworten gekommen:

1. Sie sind stolz auf das was sie da haben und möchten es mit der Welt teilen.
Ja, das kann ich durchaus verstehen. Man hat etwas erreicht oder bekommen und möchte es teilen, andere teilhaben lassen und  - seien wir mal ganz ehrlich - natürlich möchte man dafür Anerkennung von den anderen Menschen in Form von  Likes, Herzchen und netten Kommentaren - sonst würde man das ja nicht posten!! 
Ich finde daran nichts verwerflich, sowas machen wir schließlich alle :)

2. Sie haben keine Ahnung, was sie da dem Hund / anderen Tier und eventuell der Umgebung und anderen Beteiligten antun.
Ja, das sehe ich auch so, und meine das wirklich verteidigend für diese Menschen. Ich glaube echt, Ihr meint das nicht böse, Ihr wisst nur einfach nicht, was Ihr da tut!
Was sehr schade ist, aus meiner Sicht.
Denn damit bringt Ihr Euren Hund in ein Dilemma. Auch das erkläre ich gleich.

3. Durch Kritik fühlen sie sich angegriffen und ungerecht behandelt
Auch das verstehe ich, die meisten Menschen - mich eingeschlossen - mögen Kritik erstmal nicht so gern. Kritik bedeutet, ein anderer Mensch findet mein Handeln falsch, schlecht, doof oder was auch immer.
Fast automatisch wehrt man sich dagegen, bevor man darüber nachdenken will, ob die Kritik vielleicht berechtigt ist. Kennt Ihr auch, oder?

Warum kratzt einen das so sehr, dass man sich erstmal wehren will dagegen? Das ist das eigene Ego, das ja gestreichelt werden wollte. Und nun bekommt es statt dessen einen Klaps. 
Das fühlt sich erstmal unangenehm an. Um nicht zu sagen, echt Scheiße. Sorry für den Ausdruck. Ist aber so, wenn Ihr ehrlich seid.

Kommen wir zum Dilemma, in das Ihr Euren Hund mit solchen kleinen Momentaufnahmen bringt, die Ihr der Welt unbedingt zeigen möchtet.

Wenn Ihr durch viel Geduld oder Training oder wie auch immer einen Erfolg mit Eurem Hund erreicht habt und dieser nun eine vorher schlimme oder zumindest unangenehme Situation jetzt meistern kann, dann bringt ihn doch bitte bitte bitte nicht für ein Beweisfoto wieder in diese unangenehme Situation hinein, nur um der Welt zu zeigen, dass er es jetzt kann.

Denkt bitte einen Augenblick lang darüber nach, wie sich Euer Hund dabei fühlen muss.
Im besten Fall steckt er es weg.
Im blödesten Fall fällt er in altes Verhalten zurück und reagiert seinen Gefühlen entsprechend mit Flucht, Kampf oder Erstarren, bis er weiß, was er tun soll. Was bedeutet, Ihr macht Euch selbst das Training mit Eurem Hund wieder kaputt.
Wie schade.
Für alle Beteiligten.

Und der Grund, warum ich auf "niedliche" Kinder-Hunde-Bildchen oder Videos extrem dünnhäutig reagiere, kommt hier:

Nehmen wir dafür mal ein Bild, bei dessen Anblick mir regelrecht das Herz stehen blieb.
Ein Kleinkind sitzt neben einem Hund auf dem Fußboden. Der Hund trägt einen Kopfreif mit Hasenöhrchen und das Kind küsst ihn seitlich auf die Schnauze.
Och wie süüüüß, möchtet Ihr jetzt schmettern?
Nein, ist es nicht !
Die Schnauze des Hundes ist gerunzelt und man sieht deutlich seine kompletten Frontzähne.

Die Kommentare dazu reichen tatsächlich von "Oh Gott, wie niedlich!" bis "Oh schau, wie der Hund lächelt, der liebt das Baby!" 


Und ich möchte aufgrund der Realitätsfremde und Wahrnehmungsverzerrung dieser Menschen brechen gehen. 
Und denke mir - danke Universum, für die Impulskontrolle dieses tollen Hundes!
Die Frage ist, wie lange sie anhält.

Tausende von Kindern werden jedes Jahr von Hunden gebissen, einige so schwer, dass sie sogar daran sterben.


Witzig? Nicht wirklich!!!

Während meiner Ausbildung zum Trainer für Menschen mit Hund habe ich viele solcher Fotos gesehen, bei den Recherchen zu meinem 
noch mehr davon.

Gerade Kleinkinder weisen grausame Bisswunden in Gesicht, Kopf, Hals und Brust auf, brauchen Hauttransplantationen, sind entstellt für ihr ganzes Leben und haben ein Trauma, was Hunde angeht.


Und die Eltern?
Sind oft ratlos, was da schief gelaufen ist.
Hat der Hund ganz plötzlich gemacht. War immer lieb. Hat sich immer alles gefallen lassen...
Der Hund ist halt schuld. Wie immer.


Darum bin ich oft so wütend, und halte dennoch den Mund bei niedlichen Kinder-Hunde-Bildchen.
Weil die Menschen zu oft nur sehen, was sie sehen wollen.

Da wird dem Hund das Knurren verboten, er soll sich vom Kind alles gefallen lassen, ich sehe Kinder, die auf Hunden sitzen oder liegen oder sie umarmen und küssen, während die Eltern niedliche Bildchen davon machen.


Videos, in denen ein Kind seine Finger zwischen die Zähne eines knurrenden Kleinhundes drückt und sich totlacht, bis der Hund plötzlich zubeißt und dafür geschlagen wird.

Ich möchte schreien: "WACHT AUF! SEHT HIN! DAS IST NICHT WITZIG!"


Aber sie wollen nicht hinsehen.
Sie wollen nicht sehen, dass der Hund sich die Nase leckt, den Kopf wegdreht, das Weiße in seinen Augen zu sehen ist - alles Anzeichen von Stress und dass ihm die Situation total unangenehm ist.

Sie wollen nicht wahrhaben, dass IMMER etwas passieren kann - nicht aus Absicht oder Boshaftigkeit des Hundes, sondern ein schlimmer Unfall, durch blöde Umstände.

Die Ihr als Eltern hättet verhindern können, verdammt nochmal!!


So, jetzt dürft Ihr mich gern kritisieren, weil ich der Schwarzseher bin, der Miesepeter, die nicht "Süüüß" schreit.
Sei's drum.

Ich stehe weiter dazu.
Respektiert bitte die Bedürfnisse und Gefühle Eurer Hunde.
Dann könnte so mancher Unfall vermieden werden.

Ich habe fertig.

P.S.: 
Wer sich näher damit befassen möchte, den lade ich ein, sich in meinem Buch darüber schlau zu machen, was Ihr vermeiden solltet und wie Kind und Hund ein tolles Team werden, ohne Unfall.