Freitag, 8. Juni 2018

"Das macht der immer!" oder Hundetrainer sind kugelsicher!

"Hey - hau ab! Sonst mach ich dir Beine!" / (c) Landgrafe

Erstgesprächstermin bei neuen Kunden. 

Ich weiß, der Hund hat ein Thema mit Menschen, wie sehr genau will ich heute klären.
Aus Sicherheitsgründen habe ich die Halter gebeten, den Hund anzuleinen und erst abzumachen, wenn ich es ihnen sage. Man weiß ja nie so genau, was einen erwartet, wenn man zum ersten Mal einen Hausbesuch macht.

Ich klingele, trete einen Schritt zurück, die Haustür öffnet sich - und am Halter vorbei drängelt sich ein nicht angeleinter Ridgeback-Mix, um mich kurz, aber sehr wüst auf hündisch zu beschimpfen und zu bedrohen, ehe er mal kurz nach meinem Oberschenkel schnappt und reinzwickt.
So! Statement gesetzt!

"Sehen Sie? Das macht er immer bei Fremden. Das wollte ich Ihnen nur mal zeigen."
Aha.
Ja, schön.
Hab ich nun gesehen und auch deutlich gefühlt.
Das wird ein schöner blauer Fleck werden. Danke dafür. 😠

Autsch! Welpenzahn-Piercing im Nagel. / (c) Landgrafe
 Ich bitte darum, den immer noch drohenden Hund in Ruhe am Halsband zu nehmen und eine Leine dranzubasteln, während ich äußerlich völlig ruhig da stehe und mich nicht weiter bewege, um den Hund nicht zu einer zweiten Verwarnung gegen mich zu reizen, die er mir zweifellos androht.

"Ja, kommen Sie doch erst mal rein."
Nein, bitte erst den Hund sichern.
"Der macht jetzt nix mehr. Der schnappt immer nur einmal zu."

Der Ridgeback-Mix knurrt dumpf und fixiert mich.
Meine Geduld erreicht so langsam ihren Endlichkeitspunkt und meine Stimme nimmt nun jenen Klang an, der deutlich sagt, dass ich ab sofort keinen Spaß mehr verstehe und nicht mehr die nette Tante Trainer bin, die alle Hunde liebstreichelt.

Ich erkläre, dass der Hund mich eindeutig nicht näher am Haus haben will und dass ich darauf bestehe, den Hund anzuleinen, weil ich weder scharf auf einen zweiten Angriff von ihm bin, noch auf eine entsprechend harte Korrekturmaßnahme durch mich gegen den Hund.

Ich werde etwas verblüfft angeschaut, dann wird endlich der Hund am Halsband in den Flur gezerrt und eine Leine dran befestigt. Als ich auch noch darum bitte, den Hund aus dem Flur mitzunehmen, da dieser recht eng ist und ich gern mehr Platz haben möchte, sehe ich ein verständnisloses Kopfschütteln, ehe man den Hund mitnimmt.

Ein Einzelfall?
Nee, leider nicht und ich sag's Euch jetzt mal ganz ehrlich und im Vertrauen, aber nicht weitersagen: Hundetrainer sind NICHT kugelsicher!
Begegnung mit einem Scharfzahn / (c) Landgrafe

Einige Halter scheinen das aber von uns zu denken.
Da werden klare Anweisungen einfach überhört oder missachtet, weil  ...
- ein Hundetrainer ja mit jedem Hund sofort umgehen kann
- ein Hundetrainer jede Situation in Sekundenbruchteilen sofort richtig einschätzt und entsprechend handelt
- jeder Hund sofort auf den Hundetrainer hört
- jeder Hundetrainer in diversen Nahkampftechniken ausgebildet ist oder zumindest sofort jede angespannte Situation deeskalieren kann
- man ja nur mal zeigen will, wo das Problem liegt...

Resultate aus solchen Situationen sind neben Abschürfungen, blauen Flecken, Hämatomen und Bisswunden auch innere Wunden, und zwar nervlicher und seelischer Art.
Darüber denken solche Hundehalter wohl kaum nach.
Auch Hundetrainer haben Nerven und Gefühle und erschrecken bei einem plötzlichen Angriff und fühlen Schmerzen, wenn sie getackert oder heftig angesprungen werden - selbst wenn sie irgendwie damit rechnen!

Wenn ich zuvor ganz klare Anweisungen gegeben habe, weil ich für Sicherheit sorgen will, und diese werden einfach missachtet, finde ich das nicht nur frech und unverschämt mir gegenüber, sondern auch gegenüber dem Hund, der (mal wieder) in eine Situation gebracht wird, in der ein Mensch (in diesem Fall ich) GEGEN ihn agieren MUSS (aus Notwehr heraus), um sich zu verteidigen.

Natürlich muss ich solche problematischen Situationen auch sehen, um sie einschätzen und einen vernünftigen Trainingsplan erstellen zu können - aber doch bitte unter abgesicherten Bedingungen für das gesamte Umfeld und nicht als Überfallkommando direkt beim Erstkontakt!

Wir wissen, was kommt - Ruhe bewahren - Eigensicherung ist vorhanden - 3,2,1 - go! / (c) Landgrafe

So habe ich schon das Training mit zwei Kunden abgelehnt, weil sie sich weigerten, ihrem armen Hund einen Maulkorb aufzutrainieren. Der Hund möchte das nicht, hieß es. Und außerdem macht er ja dann auch nix.
Das ist ja auch der Sinn des Ganzen und zudem möchte ich auch nicht gebissen werden!
Nein, da wird lieber an der Leine geruckt und "Aus! Nein!" gebrüllt.
*seuftz*

Also bitte, liebe Hundehalter - wenn Ihr mich oder einen meiner Kollegen anruft, dann haltet Euch an die Anweisungen, die Ihr bekommt. Wir kennen Euch und Euren Hund noch nicht und brauchen ein wenig Zeit, um Euch und die Situation vor Ort einzuschätzen.

Bitte seid am Telefon schon ehrlich zu uns - wenn Euer Hund schonmal nach einem Menschen geschnappt, ihn gezwickt oder ernsthaft gebissen hat, dann sagt uns das! So können wir für uns Schutzmaßnahmen treffen und alles läuft entspannter ab.

Und wenn wir Situationen erkennen, die potentiell knifflig bis gefährlich werden können - dann haltet Euch bitte erst recht an unsere Anweisungen, auch wenn Ihr in diesem Moment den Sinn vielleicht nicht sofort versteht.

Misstrauisches Begutachten nach dem ersten Schnapper ins Bein / (c) Landgrafe
Erste Trainingsschritte - Fremde werden "schön-gefüttert" / (c) Landgrafe
Weder haben wir Trainer eine ultradicke, kevlargeschützte Haut, noch sind wir kugelsicher, bißfest oder unumschubsbar. Wir sind nicht immer schneller als der Hund, können nicht hellsehen oder uns aus einem akuten Gefahrenbereich wegbeamen. Auch unsere Wunden bluten und brauchen Zeit zum Heilen. Unsere Nerven und Seelen ebenso.

Also begegnet uns bitte mit demselben Respekt, den wir auch Euch entgegen bringen.
Danke dafür.