Eingreifen oder laufen lassen? / (c) Signal-Hund
Ich öffne Facebook und scrolle ein wenig.
Da ist ein Post, ein Baby liegt neben einem Hund in dessen Körbchen. Ich kriege regelmäßig Bauchweh bei solchen Bildern, aus gutem Grund. Warum das so ist, das erkläre ich gleich.
Ich unterdrücke den Impuls, etwas dazu zu schreiben. Das tut jemand anderes für mich, teilt meine Gedanken - und wird natürlich dafür kritisiert, dass er das Thema kritisch anspricht, wie fast immer, wenn man etwas kritisiert.
Obwohl ich nichts dazu sagen wollte, tu ich es nun doch, denn ich sage es euch ganz ehrlich - diese Harmoniesucht und permanente Kritikablehnung bei solchen Beiträgen gehen mir echt auf den Zwirn!
Wenn man nicht sofort "Oh wie süüüüß!" schmettert, ist man raus, wird selbst kritisiert und oftmals angegriffen - weitaus schärfer, als der eigene Kommentar gewesen ist.
Dabei ist es egal, ob es sich um Kinder-Hunde-Bildchen handelt oder andere Fotos oder Videos, in denen ein Hund (oder wahlweise eine Katze, ein Pferd, ein Vogel etc...) in eine Situation gebracht wird, die für ihn alles andere als schön ist.
Hauptsache es sieht erstmal niedlich aus - oberflächlich betrachtet...
Denn meistens ist es das nicht.
Doch kommen wir mal zurück zum Augenblick, zum Post, zum Bildchen oder Video.
Warum machen Menschen sowas, denke ich mir dann. Also so etwas zu posten und dann so aggressiv auf Kritik zu reagieren.
Und bin zu folgenden Antworten gekommen:
1. Sie sind stolz auf das was sie da haben und möchten es mit der Welt teilen.
Ja, das kann ich durchaus verstehen. Man hat etwas erreicht oder bekommen und möchte es teilen, andere teilhaben lassen und - seien wir mal ganz ehrlich - natürlich möchte man dafür Anerkennung von den anderen Menschen in Form von Likes, Herzchen und netten Kommentaren - sonst würde man das ja nicht posten!!
Ich finde daran nichts verwerflich, sowas machen wir schließlich alle :)
2. Sie haben keine Ahnung, was sie da dem Hund / anderen Tier und eventuell der Umgebung und anderen Beteiligten antun.
Ja, das sehe ich auch so, und meine das wirklich verteidigend für diese Menschen. Ich glaube echt, Ihr meint das nicht böse, Ihr wisst nur einfach nicht, was Ihr da tut!
Was sehr schade ist, aus meiner Sicht.
Denn damit bringt Ihr Euren Hund in ein Dilemma. Auch das erkläre ich gleich.
3. Durch Kritik fühlen sie sich angegriffen und ungerecht behandelt
Auch das verstehe ich, die meisten Menschen - mich eingeschlossen - mögen Kritik erstmal nicht so gern. Kritik bedeutet, ein anderer Mensch findet mein Handeln falsch, schlecht, doof oder was auch immer.
Fast automatisch wehrt man sich dagegen, bevor man darüber nachdenken will, ob die Kritik vielleicht berechtigt ist. Kennt Ihr auch, oder?
Warum kratzt einen das so sehr, dass man sich erstmal wehren will dagegen? Das ist das eigene Ego, das ja gestreichelt werden wollte. Und nun bekommt es statt dessen einen Klaps.
Das fühlt sich erstmal unangenehm an. Um nicht zu sagen, echt Scheiße. Sorry für den Ausdruck. Ist aber so, wenn Ihr ehrlich seid.
Kommen wir zum Dilemma, in das Ihr Euren Hund mit solchen kleinen Momentaufnahmen bringt, die Ihr der Welt unbedingt zeigen möchtet.
Wenn Ihr durch viel Geduld oder Training oder wie auch immer einen Erfolg mit Eurem Hund erreicht habt und dieser nun eine vorher schlimme oder zumindest unangenehme Situation jetzt meistern kann, dann bringt ihn doch bitte bitte bitte nicht für ein Beweisfoto wieder in diese unangenehme Situation hinein, nur um der Welt zu zeigen, dass er es jetzt kann.
Denkt bitte einen Augenblick lang darüber nach, wie sich Euer Hund dabei fühlen muss.
Im besten Fall steckt er es weg.
Im blödesten Fall fällt er in altes Verhalten zurück und reagiert seinen Gefühlen entsprechend mit Flucht, Kampf oder Erstarren, bis er weiß, was er tun soll. Was bedeutet, Ihr macht Euch selbst das Training mit Eurem Hund wieder kaputt.
Wie schade.
Für alle Beteiligten.
Und der Grund, warum ich auf "niedliche" Kinder-Hunde-Bildchen oder Videos extrem dünnhäutig reagiere, kommt hier:
Nehmen wir dafür mal ein Bild, bei dessen Anblick mir regelrecht das Herz stehen blieb.
Ein Kleinkind sitzt neben einem Hund auf dem Fußboden. Der Hund trägt einen Kopfreif mit Hasenöhrchen und das Kind küsst ihn seitlich auf die Schnauze.
Och wie süüüüß, möchtet Ihr jetzt schmettern?
Nein, ist es nicht !
Die Schnauze des Hundes ist gerunzelt und man sieht deutlich seine kompletten Frontzähne.
Die Kommentare dazu reichen tatsächlich von "Oh Gott, wie niedlich!" bis "Oh schau, wie der Hund lächelt, der liebt das Baby!"
Und ich möchte aufgrund der Realitätsfremde und Wahrnehmungsverzerrung dieser Menschen brechen gehen.
Und denke mir - danke Universum, für die Impulskontrolle dieses tollen Hundes!
Die Frage ist, wie lange sie anhält.
Tausende von Kindern werden jedes Jahr von Hunden gebissen, einige so schwer, dass sie sogar daran sterben.
Witzig? Nicht wirklich!!!
Während meiner Ausbildung zum Trainer für Menschen mit Hund habe ich viele solcher Fotos gesehen, bei den Recherchen zu meinem
noch mehr davon.
Gerade Kleinkinder weisen grausame Bisswunden in Gesicht, Kopf, Hals und Brust auf, brauchen Hauttransplantationen, sind entstellt für ihr ganzes Leben und haben ein Trauma, was Hunde angeht.
Und die Eltern?
Sind oft ratlos, was da schief gelaufen ist.
Hat der Hund ganz plötzlich gemacht. War immer lieb. Hat sich immer alles gefallen lassen...
Der Hund ist halt schuld. Wie immer.
Darum bin ich oft so wütend, und halte dennoch den Mund bei niedlichen Kinder-Hunde-Bildchen.
Weil die Menschen zu oft nur sehen, was sie sehen wollen.
Da wird dem Hund das Knurren verboten, er soll sich vom Kind alles gefallen lassen, ich sehe Kinder, die auf Hunden sitzen oder liegen oder sie umarmen und küssen, während die Eltern niedliche Bildchen davon machen.
Videos, in denen ein Kind seine Finger zwischen die Zähne eines knurrenden Kleinhundes drückt und sich totlacht, bis der Hund plötzlich zubeißt und dafür geschlagen wird.
Ich möchte schreien: "WACHT AUF! SEHT HIN! DAS IST NICHT WITZIG!"
Aber sie wollen nicht hinsehen.
Sie wollen nicht sehen, dass der Hund sich die Nase leckt, den Kopf wegdreht, das Weiße in seinen Augen zu sehen ist - alles Anzeichen von Stress und dass ihm die Situation total unangenehm ist.
Sie wollen nicht wahrhaben, dass IMMER etwas passieren kann - nicht aus Absicht oder Boshaftigkeit des Hundes, sondern ein schlimmer Unfall, durch blöde Umstände.
Die Ihr als Eltern hättet verhindern können, verdammt nochmal!!
Hier schenke ich Euch mein kostenfreies Webinar zum Thema "Kind und Hund - Gefahren erkennen" (bitte den Link anklicken)
So, jetzt dürft Ihr mich gern kritisieren, weil ich der Schwarzseher bin, der Miesepeter, die nicht "Süüüß" schreit.
Sei's drum.
Ich stehe weiter dazu.
Respektiert bitte die Bedürfnisse und Gefühle Eurer Hunde.
Dann könnte so mancher Unfall vermieden werden.
Ich habe fertig.
P.S.:
Wer sich näher damit befassen möchte, den lade ich ein, sich in meinem Buch darüber schlau zu machen, was Ihr vermeiden solltet und wie Kind und Hund ein tolles Team werden, ohne Unfall.