Montag, 18. Dezember 2017

Das passiert mir nicht ! - Tipps, wenn der Hund entläuft

Ich muss los - da rennt was! / Foto (c) Schnaubert
Es gibt Sätze, die man leichtfertig sagt. 
Weil man sie glaubt.
Manchmal lernt man aber, demütig zu sein, weil man erkennen muss - ja, es kann doch passieren.
Auch einem Hundetrainer.
Einer dieser Sätze war bei uns: "Der läuft nicht weg, jedenfalls nicht weit."

Ich sage es euch ganz ehrlich - wir wissen jetzt, es gibt Situationen, die du nicht kontrollieren kannst.
Weil du sie falsch eingeschätzt hast.
Vielleicht hättest du es besser wissen müssen.
Vielleicht hast du auch eine Sekunde überlegt, genau jetzt die Leine ans Geschirr zu klinken oder deinen Hund zurückzupfeifen. So ein Bauchgefühl.
Doch dein Kopf sagte, Quatsch, es ist alles okay.
Und dann ist diese Sekunde vorbei und es passiert, was du vorher bestritten hast.
Mir passiert das nicht.
Heute ist es passiert.

Es ist 14.35 Uhr. Der Anruf erreicht mich kurz vor Ende des Mantrailing Trainings. Es ist mein Mann, verzweifelt.
"Dayan ist weg. Ich finde ihn einfach nicht!"
Ich schlucke und frage ihn, wo er ist und wie lange Dayan schon weg ist. Meine Kursteilnehmer werden still und lauschen.
Dreißig Minuten, lautet die Antwort. In einem sehr großen Waldgebiet, das von einer Straße durchzogen wird, auf dem die Autos sehr schnell unterwegs sind. Es gibt viele Wanderwege dort, viele Möglichkeiten, und Dayan kennt sie alle. Es ist eine unserer Stammstrecken seit zwei Jahren. Dass er seit einer halben Stunde weg ist, gefällt mir überhaupt nicht. Das ist lang.
Ja wir wissen, er rennt hinter Rehen her. Aber nie weit, nie weiter als hundert Meter, und dann kommt er sofort zurück. Eigentlich. Bis heute.

Meine Schüler sind sich einig - wir brechen das Training sofort ab. Zwei bieten sich sofort an, mit mir zu fahren und bei der Suche zu helfen. Parallel hilft eine weitere Schülerin und inseriert bei Facebook eine Suchanzeige, ruft Bekannte in der Nähe an.

 15.03 Uhr - wir treffen im Suchgebiet ein, teilen uns auf. Ein Team oberhalb des Berges, wo Dayan verschwunden ist, Yvonne mit Schäferhund Lobo und ich gehen zum Punkt der letzten Sichtung, der von meinem Mann markiert wird, mitten an einem Steilhang.
Dayan ist jetzt seit rund einer Stunde verschwunden.

Lobo in der Suche, Herbst 2017 im Park / (c) Landgrafe
 Ich habe mit einem Hundekotbeutel ein Taschentuch genommen und kräftig über Dayans Decke in meinem Auto gerieben. Das wird in jedem Fall reichen, aber Suchhund Lobo hatte heute im Training schon zwei anstrengende Suchen. Und er ist seit fünf Stunden dabei. Das schlaucht, er muss müde sein. Dennoch setzen wir ihn ein, denn er ist gut.

Er nimmt Dayans Spur auf, ist anfangs ein wenig unsicher, führt uns in kleinen Schleifen im Kreis, bis er plötzlich anzieht - nach oben, den Hang rauf.
Tatsächlich finden wir frische große Tatzenabdrücke im Schnee. Ich bin sicher, das sind die von Dayan. Lobo denkt das auch, denn er folgt jedem Schlenker und Bogen, den diese Spuren machen.

Ich rufe meinen Mann an, der weiter unten sucht. Anscheinend hat Dayan versucht, zum Teil rückwärts auf der Spur zurückzulaufen, die er zuvor mit meinem Mann und Gioya gegangen ist. Blöderweise hat mein Mann zwischenzeitlich umgeparkt, den Berg hinauf, wo Dayan entfleucht war.
Ich schicke ihn zurück zu der Stelle, an der er geparkt hatte.
Mit jeder weiteren Abzweigung werde ich sicherer, wohin unser Husky gelaufen ist und bestätige das nochmal an meinen Mann. Dayan nutzt den bekannten Weg, und zwar aus seiner Sicht die sicherste und kürzeste Strecke zurück zum Auto, dort wo wir fast immer zurück laufen.
Lobo und die dicken Tatzenspuren bestätigen es.

grün - Spazierstrecke, gelbe Raute - letzte Sichtung und unser Ansatzpunkt, rot - ungef. Spurverlauf des Trails
Mein Mann ruft mich Minuten später an. Ein Spaziergänger hat Dayan gesehen - vor einer halben Stunde... und ihn nicht eingesammelt. Er dachte, irgendwo wird schon ein Mensch kommen, der dazu gehört. Dayan stand direkt an der heftig befahrenen Straße... er hatte unser Auto gesucht und nicht gefunden, weil mein Mann ja umgeparkt hatte - so eine Scheiße!

Mir wird flau im Magen. Sekundenlang habe ich schlimme Bilder vor dem inneren Auge - Dayan verletzt, humpelnd, im Graben liegend...
Nein, ich schiebe die Bilder energisch zur Seite. Panik hat jetzt keinen Sinn!
Wir nehmen Lobo aus der Suche, als er auch den vorletzten Abzeig sauber bestätigt, der den bekannten Weg zurück zum Auto markiert, und fahren den Berg hinunter, an den Punkt der aktuellen Sichtung.

Zwischenzeitlich fährt auch eine liebe Freundin mit ihrem Mann im Pickup über die angrenzenden Waldwege und sucht mit.

Es ist 15.54 Uhr - und wir setzen Lobo erneut an.
Lobo hat bisher rund 2,5 Kilometer sauber getrailt. Sofort nimmt er wieder ohne zu zögern die Spur auf. Wir rufen und pfeifen laut. Lobo zeigt deutlich, wohin wir müssen - und da brüllt mein Mann laut und winkt. Er rennt die Straße hinunter und da läuft Dayan uns entgegen, parallel auf einem Waldweg, völlig fertig und sichtlich erleichtert, uns zu sehen.
Gott, was sind wir erleichtert! 
Er humpelt nicht, scheint okay, nur vollkommen dreckig und erschöpft zu sein.

Ich umarme Yvonne, knutsche Lobo und wir sagen den restlichen Suchpersonen Bescheid. Es ist vorbei, nach rund zwei Stunden Suche.
Dayan lebt und ist unverletzt gesichert worden.

Haben wir Fehler gemacht? Klar.
Die erzähle ich euch jetzt und noch ein paar mehr, um euch zu helfen, nur für den Fall, dass auch ihr einmal betroffen seid.

Dreckspatz Dayan, völlig ko vom Spaziergang / Foto (c) Landgrafe
Punkt 1: wenn euer Hund zum Jagen neigt, achtet gut auf ihn! Macht im Zweifel eine Leine dran, und wenn es nur für gewisse Streckenabschnitte ist. Sichern ist besser als suchen!
Übt einen sicheren Rückruf ein.

 Befestigt eine Tassomarke und eine weitere Marke mit euren Kontaktdaten am Halsband oder Geschirr, am besten mit eurer Handynummer!
Und rund um Sylvester bitte immer mit Leine laufen, Böller können auch schon Tage vor und auch nach Sylvester knallen und Hunde erschrecken!

Punkt 2: geratet nicht in Panik, wenn euer Hund wegläuft. Bleibt erstmal vor Ort, ruft, pfeift und wartet eine Weile. Oft kommt der Hund zum Ausgangspunkt zurück. Wenn ihr weggeht, findet er euch nicht mehr.
Kennt euer Hund die Strecke, lauft sie nochmal ab und ruft dabei.
Wenn ihr ihn seht, bleibt ruhig und lockt ihn freudig zu euch heran. Brüllt nicht, rennt nicht auf ihn zu, versucht so ruhig wie möglich zu bleiben, damit ihr ihn nicht verscheucht. Hockt euch hin, bietet Futter an, falls ihr welches mithabt.

Punkt 3: kommt der Hund nicht zurück, geht zurück zum Ausgangspunkt eures Spaziergangs. Seid ihr mit dem Auto da - bitte NICHT wegfahren! Wartet auch da noch eine Weile und ruft.
Seid ihr zu Fuß dort, geht nach Hause. Mit viel Glück ist der Hund schon dort.

Punkt 4: organisiert per Handy Hilfe, möglichst von Personen, die der Hund kennt und mag. Bevor ihr wild schreiend durch den Wald rennt, überlegt gut und organisiert eine vernünftig aufgeteilte Suche.

Punkt 5: je nach Situation macht ein Pettrailer Sinn, also ein Hund, der euren Hund sucht.
Ängstliche Hunde treibt man leider mit einem Suchhund meistens weiter in die Flucht.
Gesucht werden sollte also nur nach Welpen, alten oder verletzten Hunden und solchen, die mitsamt Leine entlaufen sind, weil sie sich irgendwo festhängen und dann nicht heimlaufen können.
Hierbei gilt wie in der Personensuche: je schneller der Suchhund am Einsatzort ist, umso besser sind die Chancen, den entlaufenen Hund zu finden! 

Gute und seriöse Pettrailer findet ihr hier, unter dem Blog. Diese beraten auch telefonisch eingehend die nötigen weiteren Schritte mit euch. 
Macht das bitte in jedem Fall VOR Punkt 6!
Auch das Aufstellen einer Lebendfalle kann Sinn machen.

Punkt 6: macht Anzeigen in Facebook, möglichst regional, ruft die Polizei, Straßenwacht und Jägerschaft an, meldet euch bei Tasso (dort sollte jeder Hund von euch angemeldet sein!!), Tierheime, Tierärzte usw.
Achtet aber darauf, dass es bei Facebook-Anzeigen keine Hetzjagd auf den Hund gibt! Gebt nicht zu viele örtliche Details raus, eher eure Telefonnummer.

Punkt 7: neigt euer Hund zum Weglaufen, kauft euch ein GPS-Gerät, wir bevorzugen  Tractive (>>jetzt 30% beim Kauf eines Tractive sparen) und baut es ans Halsband oder Geschirr des Hundes. So kann man ihn orten und hoffentlich auch schnell finden. Und lasst bitte eine Schleppleine am Hund...


Seriöse Pettrailer:
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