Montag, 11. Dezember 2017

Rassismus - oder Der kann das nicht!

Pelayo hat gefunden!
Es ist Mantrailing-Zeit und ich warte auf einen Schnupperkunden.

Die Frau ist super nett, scheint mir aber ein wenig unsicher zu sein. Das sage ich ihr und frage, was denn der Grund dafür ist.
Sie antwortet: "Man hat mir gesagt, mein Hund kann das nicht."
Ich ziehe die Augenbrauen hoch und frage: "Wieso sollte er das denn nicht können?"
"Na, es ist ein Galgo. Alle haben gesagt, Galgos können nicht trailen."

Ich sag's euch ganz ehrlich und in aller Deutlichkeit - solche blöden Vorurteile kotzen mich an!
Es ist ein Hund, er hat eine funktionierende Nase, also kann er sie auch benutzen.

Natürlich braucht ein Sichtjäger einen anderen Ansatz, um das 'neue Spiel' zu verstehen und es sinnvoll zu finden. Aber nach dem dritten kleinen Versuch startete "Pelle" durch und seitdem trailt er voller Freude - sicher, effizient und bei jedem Wetter, obwohl er Regen und Schnee wirklich nicht mag und es sich Zuhause drei Mal überlegt, ob er wirklich mal raus muss.
Beim Trailtraining steigt er aus und arbeitet - Punkt. So wichtig ist ihm diese Sache.
Zudem haben sich viele kleine Unsicherheiten und Ängstlichkeiten, die er mitbrachte, in Luft aufgelöst.

Vivi macht Pause
Trailen macht selbstsicher, bringt Freude und artgerechte Auslastung. Es macht rechtschaffen müde und zufrieden, wie jede Form der Nasenarbeit.

Wenn man nach der Meinung anderer Leute ginge, dann könnte gut die Hälfte meiner Mantrailer gar nicht trailen.  
 Die Hunde sind zu dick, zu dünn, zu alt, zu krank, zu ängstlich, zu aggressiv, zu behindert, zu jung oder eine Rasse, die ja gar nicht trailen kann.
Wie gut, dass Hunde unsere Worte nicht so wirklich richtig verstehen können...

 Ich habe in den letzten fünf Jahren so oft erleben müssen, dass Hunde diskriminiert werden, auch von Trainern, leider.

Angstmaus Milla war eine der ersten "Problemhunde", mit denen ich getrailt habe. Laut Tierschutz war sie eigentlich unvermittelbar und würde niemals im Leben den Menschen vertrauen lernen. Hundetraining - undenkbar!

Milla hat die Person hoch oben gefunden
 Heute trailt sie durch den Landschaftspark Duisburg und wir haben bei "26 Personen", die sie streicheln dürfen, aufgehört zu zählen. Es sind mittlerweile einige mehr.

Da war Neva, die Schäferhündin mit der Bandscheiben-OP und dem Herzsschrittmacher - niemand wollte mit ihr arbeiten und ich frage mich bis heute, warum nicht.
Eine so großartige, freundliche Hündin mit diesem ausgeprägten Findewillen und Freude an der Arbeit. Sie durfte bis zuletzt, rund eine Woche bevor sie ins Licht ging, angepasste kleine Trails bei mir laufen.

Und ihr Hundekumpel Lobo, bei dem ich Frauchen am Anfang aus 30 Metern Entfernung mit Funkgerät coachen musste, weil der hübsche Altdeutsche Rüde solche Angst vor Menschen hatte.
Dieser wunderbare Kerl wurde so selbstbewusst durch das Trailen, dass er kaum noch Probleme im Alltag zeigt und fast überall konzentriert arbeiten kann.

Wilma mit Orthese unterwegs
Wilma mit ihrer Orthese, die grinsend zum Start gehoppelt kommt und tagelang nach ihrem "Einsatz" noch gut gelaunt ist und besser läuft.

Vivi, die aufgrund von Übergewicht und Erkrankung keinen Spaß mehr an Bewegung hatte und jetzt sogar kleine Strecken gallopieren will, weil sie so viel Freude an der Suche hat.

Seniorengymnastik für die Paralympische Gruppe nenne ich die Arbeit für diese Hunde liebevoll.

Erst gestern las ich in einer Diskussionsgruppe von einem Trainer, der überlegt, ob er einen Husky ins Training nehmen soll. Solche Hunde sind ja keine Familienhunde und was kann man mit denen schon machen?

Örgx! Sorry, aber wirklich ÖRGX!
Wieso werden Hunde immer wieder auf ihre Rasse oder Optik reduziert?

Zunächst einmal ist es ein Hund, dann kommt "Rasse Husky" und "Typ Sturschädel" und dann "individuelle Vorlieben und Stärken". Der Hund ist doch nun mal schon da, wieso will man ihn dann nicht trainieren? Oder traut es sich nicht? Bei Aggressionsverhalten würde ich es ja verstehen, da wäge ich auch jeden Fall ab, ob ich das leisten kann - aber nur weil der Hund ein Husky ist...?

Langhaar-Husky Dayan bei der Suche
 Mein Husky liebt es zu suchen, allerdings nicht das Mantrailing, sondern eher die Geruchsdifferenzierung oder Futtersuche. Das macht er freudestrahlend und hoch konzentriert. Er springt nie Leute an - aber mich, wenn ich die Geruchsprobe in der Hand halte und er weiß, gleich geht es los!

Andere Huskys machen Canicross oder Bikejöring, auch beim Agility oder Hoopers trifft man sie.
Mein voriger Hund "Ty", ein Malamute-Mix, war ein Meister-Trickser, wir haben sogar einen Pokal im Trickdog bekommen und eine Bronzeprüfung im Tricksen bestanden.

Wichtig ist doch, egal um welchen Hund und welche Rasse es sich handelt, dass man den Hund zunächst als Individuum ansieht, das Stärken und Schwächen hat.

Macht man sich die Mühe, die Stärken herauszufinden und auszubauen, leisten diese Hunde Großartiges, und zwar mit viel Freude am gemeinsamen Tun!

Natürlich haben die meisten Hunde rassespezifische Stärken, aber eben nicht alle gleich.
Nicht jeder Labrador will Dummytraining machen, nicht jeder Schäferhund will Schutzdienst machen und nicht jeder Cattledog muss Rinder treiben!
Cattledog Ebby nach der Nasenarbeit - platt!
Also liebe Leute, 
hört doch mal auf, 
nur auf die Verpackung zu schauen. 

Der Inhalt ist nämlich viel wichtiger!

Schaut doch einfach mal rein in die Motivation eurer Hunde - vielleicht werdet ihr überrascht sein, was ihr da so alles findet...



P.S.: Lobo hat unseren entlaufenen Husky getrailt und gefunden :) , Bericht hier. Ein Hund, von dem man sagte, aus dem wird nie was, weil er so ängstlich ist...